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0777 - Die dritte Tafelrunde

0777 - Die dritte Tafelrunde

Titel: 0777 - Die dritte Tafelrunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Vandis
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gewaschen worden war, und schlich sich nach getaner Arbeit zurück in den Stall. Dort setzte er sich und vertrieb sich die Zeit damit, den Rappen zu betrachten.
    Wenn er ihn doch nur einmal reiten dürfte!
    Er schrak auf, als ein Mann den Stall betrat. Zuerst befürchtete er, dass es der Bauer wäre, der wieder neue Arbeit für ihn hatte. Aber es war nicht Luis. Es war der Fremde.
    »Du bist wohl vernarrt in meinen Rappen«, sagte er mit dunkler Stimme. »Ich seh’s dir an, du brauchst es gar nicht abzustreiten.«
    »Ein schönes Tier«, flüsterte Johann in dem vergeblichen Versuch, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
    »Er hat mich auf all meinen Reisen begleitet«, fuhr der Fremde fort. »Aber jetzt wird er alt und ist kaum noch zu gebrauchen. Genau wie ich.«
    Wovon redete der Fremde? Dieses Tier war in den besten Jahren. Es strotzte vor Kraft, wie man an jeder Bewegung sehen konnte!
    Ein Knurren kam aus der Kehle des Fremden, wie von einem Wolf. Johann spürte, dass eine Gänsehaut über seinen Rücken strich. Er wünschte, er wäre rechtzeitig ins Haus zurückgekehrt. Lieber hätte er auf Luis’ Befehl die Küche oder den Waschraum geputzt, als diesem unheimlichen Mann allein gegenüberzustehen.
    »Artos hätte den Rappen reiten sollen«, sagte der Fremde wie in Gedanken versunken und spielte mit dem Messer an seinem Gürtel.
    »Artos ist tot«, sagte Johann, weil er nicht wusste, was er sonst hätte sagen sollen.
    König Artos war vor vielen Jahren gestorben, und mit ihm die Hoffnung auf ein Land, in dem alle Menschen in Frieden lebten. Er hatte die Eroberer auf Distanz gehalten, aber schließlich war er von einem seiner Vertrauten hingemordet worden, wie man sich erzählte. Von einem der Ritter der Tafelrunde. Mordred hatte ihn verraten, sagte man.
    »Glaubst du, dass Artos einen Fehler machte, als er Mordred vertraute?«
    Was für eine Frage. Aber Johann verstand nichts von der hohen Politik, und deshalb zog er es vor, den Mund zu halten.
    »Artos hat keinen Fehler gemacht. Mordred war es, der einem Irrtum erlegen war. Er war es nicht würdig, in die Runde aufgenommen zu werden.«
    Johann dachte über die Worte nach. So konnte man es auch sehen. Aber eigentlich war ihm das ziemlich egal. Wann war Artos gestorben? Vor zwei Jahren? Oder vor drei? Er wusste es nicht mehr, und es war ja auch nicht wichtig. Sein Leben ging weiter, egal welcher König gerade herrschte.
    »Mordred soll für seine Tat büßen, aber er kann nicht. Es war seine Bestimmung, die Runde zu verraten. Kann man gegen seine Bestimmung ankämpfen?«
    Johann war plötzlich kalt. Der Rappe war zur Bewegungslosigkeit erstarrt, den Blick seiner tief dunklen Augen genau auf Johann gerichtet. Der Knecht wollte dem Impuls nachgeben und fliehen. Raus aus dem Stall, wohin auch immer. Nur fort von dem Fremden, der von einer Aura des Bösen umgeben zu sein schien. Aber seine Beine schienen mit dem Boden verwachsen zu sein - selbst als der Fremde das Messer aus seinem Gürtel zog. Die Klinge blitzte unter dem unruhigen Licht der Stalllampe.
    Johann stöhnte vor Angst auf.
    Sekunden später verstummte er für immer.
    ***
    Der Düstere bückte sich, wischte das Blut auf dem Messer im Gras ab, das am Absatz der Stallwände empor wucherte, und steckte die Klinge zurück in die Scheide.
    Er überlegte, ob er die Leiche ins Gebüsch hinter dem Stall zerren sollte, wo man sie vielleicht erst in ein paar Stunden entdecken würde. Aber dann sag-
    te er sich, dass es nicht seine Aufgabe war, sich um das Folgende zu kümmern.
    Er streckte sich und tätschelte die Flanke des Rappen, der den Tod des Knechts mit unerschütterlicher Gleichmut verfolgt hatte.
    Es war der erste Mord seit damals gewesen, und der Düstere wehrte sich nicht gegen das Gefühl der Befreiung, das ihn wie eine Woge überschwemmte. Er fragte sich, wie er überhaupt solange hatte ohne diesen Impuls hatte leben können.
    Er blinzelte.
    Der Triumph wurde von einem wachen Moment abgewechselt. Er spürte Entsetzen in sich aufsteigen. Auf einmal war es ihm, als blicke er nicht auf den erstarrenden Leichnam, sondern auf sein eigenes Grab.
    Er hatte nicht den Knecht umgebracht, sondern sich selbst.
    Er schüttelte die Wahnvorstellung ab.
    Unsinn. Er erfüllte nur seinen Zweck. Die Unsicherheit verbannte er in die tiefsten Tiefen seines Unterbewusstseins.
    Ebenso wie das Gefühl, dass dies nicht der erste Mord seit damals gewesen war.
    Da war ein seltsames Bild in seinem Kopf, das er mit sich

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