0777 - Die dritte Tafelrunde
zurückzuhalten, und er wunderte sich darüber, dass der alte Zauberer es überhaupt versuchte.
Die Zinne, auf der er gestanden hatte, glitt vorbei. Er wartete darauf, dass Todesangst sein Bewusstsein flutete. Aber es kam - nichts.
Keine Regung, kein Gefühl.
Denn er würde nicht sterben.
Das Wissen war so plötzlich in ihm, als hätte eine fremde Macht es von einer Sekunde zur anderen eingepflanzt. Noch während er fiel, wusste er, dass es nicht vorbei war. Er spürte die Luft, die an seinen Kleidern zerrte, sah den Erdboden, der ihm mit rasender Geschwindigkeit entgegen kam, und wusste, dass Merlins zur Schau getragenes Entsetzen falsch war. Er hatte gewusst, dass es so kommen würde. Er hatte gewusst, dass Mordred seinen letzten Auftrag nicht erfüllen konnte. Merlin war nicht zu überraschen.
In Wirklichkeit war es nicht die Frau mit der Waffe, die alles zu Ende gebracht hatte. Auch nicht die Dämonen, und schon gar nicht Mordred selbst.
Es war Merlin.
Und er würde auch bestimmen, wann es einst wieder beginnen würde…
***
»Es war ein Fehler, nicht wahr?« Merlin bejahte nicht. »Ich weiß es nicht. Ich hatte es anders geplant. Ich wollte ihm meinen Tod vortäuschen, damit er seine Aufgabe als erfüllt ansieht. Nun dagegen…«
Seine Worte verhallten im Strudel der Zeiten. Zamorra und Nicole wurden plötzlich fortgerissen - als wäre Mordreds Tod der Impuls, der sie wieder in ihre eigene Zeit zurückkatapultierte!
Zamorra spürte es in dem Augenblick, in dem sich die Zeiten vermischten, spürte den Todeskampf Mordreds, dessen Körper bei dem Aufprall zermalmt wurde - und er spürte ebenso, dass der Geist des Verräters und vielfachen Mörders nicht von dieser Welt lassen wollte.
Er blieb präsent - durch all die Jahrhunderte hindurch.
Und schließlich erwachte er zu neuem Leben.
Zamorra schaute fasziniert zu, wie die Umgebung verschwamm. Die Zinnen, die Berge der Umgebung, Merlin… alles löste sich in einem Kaleidoskop aus Farben auf. Einzig Nicole blieb bei ihm. Nicole, die mit ihm in die Gegenwart zurückkehren würde.
Auch sie schien die Präsenz des Verräters zu spüren. Er begleitete sie, er war nicht tot, sondern schlief nur, auch wenn sein Körper weit über tausend Jahre in der Vergangenheit verrottet war.
Es ist die Tafelrunde!, erkannte Zamorra. Die Bemerkung Morgana leFays, der Zeitlosen, hatte ihn darauf gebracht. Nach ihrer Aussage war Zamorra der Verräter der dritten Tafelrunde. Ob das so war oder nicht, vermochte er zu diesem Zeitpunkt nicht zu beurteilen. Aber eines stand damit fest: Es würde eine dritte Tafelrunde geben. Und er würde dazu gehören!
Der alte Zauberer hat längst mit der Zusammenstellung begonnen!
Zamorra spürte die Erkenntnis plötzlich in sich ; es war ein Wissen, dass ihn wie eine Erleuchtung überkam. Er konnte nicht sagen, woher er es bezog. Es war einfach da. Er war ein Mitglied der Tafelrunde - in der entscheidenden Rolle, die beim letzten Mal König Artus innegehabt hatte!
An Nicoles Blick erkannte er, dass sie eine ähnliche Erkenntnis überkam.
Es ist Merlin, der alles zu Ende bringt…
… und der bestimmt, wann es einst wieder beginnt!
So fremd ihm diese Worte waren, ihr Sinn stand ihm plötzlich klar vor Augen. Merlin - der Merlin der Gegenwart - initiierte die dritte Tafelrunde. Und Mordred, der die zweite verraten hatte, erwachte mit dieser Initiation zu neuem Leben.
Es war der Geist Mordreds, der die Morde in der Gegenwart begangen hatte. Ein spiegelbildliches Muster. Fünf Morde, verübt durch einen Mordred, der durch die Erkenntnis der eigenen Schuld dem Wahnsinn verfallen war. Der nicht mehr wusste, was er tat.
Und der in der Gegenwart auferstanden ist, um sein Treiben fortzusetzen…
Aber wenn es diesen spiegelbildlichen Bezug wirklich gab, dann hieß das doch, dass…
Ein Wirbelsturm brauste plötzlich über Zamorra und Nicole hinweg. Eine Windhose, gesponnen aus Zeit, die sie mit sich fortriss. Im Auge des Sturms kehlten sie zurück in die Gegenwart - gerade in dem Augenblick, in dem…
***
... Eva all die schwarze Kraft, die sie in sich aufgenommen hatte, zusammenballte und gegen den Schatten kehrte.
Der Geist Mordreds, der aufgetaucht war, um ein fünftes Mal seiner Bestimmung zu folgen, wurde von dem Angriff völlig überrascht. Er besaß kein eigenes Bewusstsein mehr, er war nur noch ein Restimpuls früheren Lebens, ein willenloser magischer Instinkt, der bereitwillig in die aufgestellte Fälle tappte.
Der Schatten
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