0777 - Die dritte Tafelrunde
geflogen?«, fragte Zamorra.
Der Butler William zuckte die Schultern. »Richtung Norden, wenn mich nicht alles täuscht.«
Richtung Norden? Zamorra ließ die Landschaft um das Château im Geiste an sich vorüberziehen. Im Norden gab es nichts außer Natur und jede Menge Felder und Weinberge - ein Areal, das Zamorra zu fairen Preisen verpachtet hatte, damit es auf diese Weise die Dämonenjagd finanzierte. Er konnte sich nicht im Entferntesten vorstellen, welches Ziel Fooly dort vor Augen hatte.
»Im Norden liegt Paris«, sagte Nicole. »Vielleicht hat er die Nase voll vom Landleben und will mal richtig einen draufmachen.«
Zamorra streckte die Hand aus und ließ sich den Zettel zurückgeben. Nachdenklich faltete er ihn auseinander und blickte auf die seltsame Nachricht, als könne er zwischen den Zeilen einen Hinweis auf Foolys Verbleib entdecken.
»Ich gestehe offen, dass ich mir inzwischen große Sorgen mache«, sagte William, »und außerdem Vorwürfe. Ich hätte ihn aufhalten müssen!«
»Es hat wohl keinen Sinn, nach ihm zu suchen«, meinte Nicole. »Sicher wird er bald zurückkehren.«
»Jedenfalls, wenn sein Ziel nicht weiter weg liegt, als wir uns alle vorstellen können«, sagte Zamorra.
»Was meinst du damit?«
Er deutete auf den Zettel. »Ist ja ziemlich eindeutig formuliert, findest du nicht?«
»Das ist doch verrückt!«, erwiderte Nicole.
Sie hatte sich vorgebeugt, und auf der Stirn zwischen ihren Augen war eine steile Falte entstanden. Auf einmal schien jedes Gefühl von Behaglichkeit verflogen.
»Ich bin mir natürlich nicht sicher«, sagte Zamorra, »aber ich habe so ein Gefühl, dass Merlin hinter dieser Nachricht steckt.«
Nicole tippe sich an die Stirn. »Bloß weil es gälisch ist? Und wenn’s englisch wäre, würde es von Robert Tendyke kommen?«
Dabei wusste sie selbst, dass dieser Vergleich hinkte. Englisch war im wahrsten Sinne des Wortes eine Allerweltssprache. Gälisch, insbesondere das walisische Gälisch, existierte nicht einmal als Amtssprache.
»Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass der alte Vogel unsere Hilfe braucht, und wie üblich ist er sich mal wieder zu schade, direkt und persönlich an uns heranzutreten.«
»Wenn er wirklich diese Nachricht verfasst hat, braucht er ganz andere Hilfe«, sagte Nicole mürrisch.
In letzter Zeit war der einst so mächtige alte Zauberer immer hinfälliger geworden. Hin und wieder setzte seine Erinnerung aus, oder er schien seine Umgebung nicht mehr richtig wahrzunehmen. Sein Verstand verdunkelte sich… Waren das erste Zeichen von Altersdemenz? Bei einer Person wie Merlin schien ein solcher Gedanke eigentlich unvorstellbar.
»Du glaubst, er schreibt ›Kommt nach Caermardhin!‹ auf einen Zettel und schickt ihn an Fooly? Was für einen Sinn sollte dieser Umweg haben?« Nicole stand auf. »Was mich angeht, hat der Drache mir diesen Abend jedenfalls wunderbar verdorben.«
»Prima, dann steht der Reise ja nichts mehr im Wege.«
»Der Reise?«, ächzte Nicole.
»Nach Caermardhin«, setzte Zamorra hinzu. »Wenn es wirklich ein Scherz ist, möchte ich wenigstens sicher sein. Und wenn nicht…« Er ließ den Satz unvollendet.
»Nur um dich dezent darauf hinzuweisen, cherie, es ist viertel nach zehn abends, und ich fahre heute nirgends mehr hin.«
»Wir nehmen den Weg über die Regenbogenblumen…«
»Schon vergessen, dass Merlin die Kolonie in Caermardhin abgeschirmt hat? Und die Blumen im Beaminster Cottage existieren nicht mehr.«
»Wenn er unsere Hilfe braucht, wird er uns einlassen.«
»Du sagst das, als ob feststünde, dass die Nachricht von Merlin stammt. Warum verschieben wir den-Versuch nicht einfach? Rauswerfen kann uns der alte Zausel morgen immer noch.«
Im Grunde musste Zamorra ihr Recht geben. Merlin besaß genügend andere Mittel und Wege, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen. Oft genug war er unangemeldet einfach im Château erschienen.
Aber da waren auch diese zeitweiligen Aussetzer, Merlins geistiger Verfall. Ob er wirklich noch wusste, wie er sie erreichen konnte?
Als Zamorra zwei Stunden später im Bett lag, starrte er mit offenen Augen an die Decke.
Kommt nach Caermardhin!
Der Satz ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Aber eine Nachricht auf einen Notizzettel zu kritzeln und einem Jungdrachen zu übergeben, das passte überhaupt nicht zu dem alten Zauberer.
Das Ganze war äußerst mysteriös.
Zamorra zuckte zusammen, als Nicole sich neben ihm umdrehte. Augenblicke später spürte
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