0777 - Phantom aus der Vergangenheit
nehmen.«
»Die Beschwörung?«
»Was sonst?«
Doris schaute an Suko vorbei in den Hintergrund der Scheune, der vom Licht kaum mehr erreicht wurde. Deshalb drückten sich auch dort die Schatten zusammen, aber die Umrisse eines relativ hohen Schrankes konnte Suko trotzdem ausmachen.
Er war Doris Clintons Ziel. Sie ging langsam und mit gesenktem Kopf auf ihn zu, dabei flüsterte sie Worte. Suko konnte sich sogar vorstellen, dass sie betete.
Auch in seinem Hals saß ein Kloß. Er wusste, wie groß das Risiko für beide war. Sie konnten sich leicht übernehmen, nur sah er keine andere Möglichkeit.
Der schabende und kratzende Laut stammte von einer Schublade, die Doris herauszog. Was sie tat, konnte Suko nicht sehen, sie hatte sich vorgebeugt und wühlte in der Lade. Als sie sich wieder aufrichtete, ließ sie die Lade offen, drehte sich um und ging denselben Weg zurück. In der Hand trug sie einen Beutel, der am oberen Rand mit einem Band verschnürt war.
»Was ist sein Inhalt?«
»Die Ingredienzien!«
Suko krauste die Stirn. »Welcher Art?«
Doris Clinton schämte sich wegen ihrer Antwort. »Das Mehl von Knochen, unter anderem.«
»Menschenknochen?« Sie nickte verbissen.
»Wie sind Sie daran gekommen?«
»Wir haben einen Toten ausgegraben und seine Gebeine in einer Knochenmühle zerrieben. Wir brauchten es, und wir benötigten auch Blut. Das haben wir von uns genommen. Hinzu kamen die Formeln, die gesprochen werden mussten. Wir dachten ja erst, es wäre alles Hokuspokus, aber plötzlich war er da. Wir haben die alten Kräfte, die hier einmal gewesen sind, durch das Blut und das Knochenmehl von neuem erweckt. Das ist alles. Auch konnten wir nicht ahnen, dass…«
»Wo?«, unterbrach Suko sie.
»Wie meinen Sie das?«
»Wo hat die Beschwörung stattgefunden?«
»Ach so, ja. Kommen Sie mit.« Doris ging vor und blieb dort stehen, wo zuvor das Phantom erschienen war. »Es ist das Zentrum«, sagte sie mit leiser Stimme. »Hier haben wir es versucht.« Dann zuckte sie zusammen, denn sie erkannte, wie nahe sie den Füßen der fünf Leichen schon war.
»Geben Sie mir den Beutel.«
Doris zögerte noch. »Was ist mit dem Blut? Würden Sie Ihr eigenes auch hergeben?«
Suko nickte. »Natürlich würde ich das. Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin bei Ihnen.« Er zog sein Taschenmesser und klappte es auf.
Die Frau schaute zu, wie Suko das helle Mehl der Knochen auf den Boden kippte und es mit der Handfläche glattstrich. Er schaute sie an. »Sind Sie bereit?«
»Ja.« Sie nickte.
»Dann kommen Sie.«
Doris streckte ihm die Hand entgegen, was Suko allerdings nicht kümmerte. Er hatte seine eigenen Pläne und zog die Klinge einmal quer über seinen linken Handballen.
Aus dem Schnitt quoll das Blut hervor, sammelte sich, und erste Tropfen fielen nach unten.
»Jetzt bin ich an der Reihe!«, flüsterte Doris. Sie biss die Lippen zusammen, als sie den ersten Schnitt spürte.
Die Flüssigkeit tropfte in die Tiefe, vermischte sich mit dem Knochenmehl, das nicht nur feucht geworden war, sondern anfing zu zischen und zu brodeln, wobei erste, ätzend wirkende Qualmwolken in die Höhe stiegen.
»Gleich fängt es an!«, flüsterte Doris Clinton. Starr vor Furcht stand sie Suko gegenüber…
***
Ich stand da und wusste zuerst nicht, wo ich war. Ich befand mich noch immer an derselben Stelle, allerdings zeitversetzt, denn die Magie hatte mich in eine finstere und düstere Vergangenheit geschafft.
Ich möchte nicht sagen, dass ich mich an Zeitreisen gewöhnt habe, doch so einiges lag bereits hinter mir, und da war ich auch in andere Dimensionen gereist, hinein in fremde und schreckliche Dämonenwelten, wo eigentlich alles anders gewesen war als auf der Erde, angefangen von der Landschaft bis zur Luft, die oft genug durch faulige und stinkende Gase geschwängert war.
Hier atmete ich die völlig normale Luft ein. Es war eigentlich wunderbar, die Temperaturen glichen denen in meiner Zeit, und ich fühlte mich auch relativ wohl, abgesehen von einem leichten Druck im Kopf und dem Pudding in den Beinen. Nach ein paar Schritten hatte sich das geändert, und ich hatte es auch geschafft, ein erstes Ziel zu erreichen, denn am Ende einer lang gestreckten Buschreihe blieb ich stehen und wartete zunächst einmal ab.
Mir war schon während des Laufens etwas aufgefallen, was ich nun deutlicher sah. Vor mir und überdeckt von einem düsteren Himmel lag die Gegend wie ein Stilleben. Ein anderer Ausdruck fiel mir nicht ein,
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