0777 - Phantom aus der Vergangenheit
stehen, als hätte uns eine Wand gestoppt.
Was wir dort vorn sahen, glich einem Zwei-Personen-Stück, das vor uns auf einer Bühne ablief, die gleichzeitig durch ein kaltes Licht beleuchtet wurde.
Ein Mann in roter Kutte hielt eine junge Frau fest. Er wollte sie zu sich heranziehen. Sein Gesicht sah aus wie eine Maske mit offen stehendem Maul. Über ihm funkelte ein ungewöhnlicher blauer Himmel, über den erste Blitze hinweghuschten. Nach dem zweiten Schritt bereits »meldete« sich mein Kreuz.
Für mich stand fest, dass wir eine starke magische Zone betreten hatten, in der die Gestalt im roten Gewand herrschte.
Aber wir sahen noch mehr, und das traf uns beide hart. Auf dem Boden lagen fünf Leichen, und ihre Gesichter erinnerten uns an das der Margret Fontyn. Sie waren uralt und greisenhaft und schienen von dünnen Spinnweben bedeckt zu sein. Widerliche Fratzen mit weit geöffneten Mäulern und kalten, toten Augen.
Es war das Grauen pur, und diese dämonische Gestalt gab nicht auf. Sie wollte das Mädchen, das sich in ihrem Griff wand, den Kopf einzog, ihm nie das Gesicht präsentierte und auch nicht ihren Hals.
Die Frau wusste genau, was sie tat.
Ich jagte dieser frei schwebenden Treppenbrücke entgegen. Ich wollte die Beretta ziehen und schießen, dazu kam ich nicht mehr, denn Cyrus Wood hatte gesehen, wie nahe ich ihm schon gekommen war, und deshalb verzichtete er vorläufig auf das letzte Opfer.
Stattdessen schleuderte er mir die Frau entgegen.
Sie trudelte auf mich zu. Ihr Gesicht war bleich. In seiner Starrheit erinnerte es an eine Puppe. Ich fing sie auf, hörte Sukos Ruf hinter mir und schleuderte meinem Freund die Frau entgegen. Bei ihm war sie gut aufgehoben.
Dann sprang ich auf die Brücke!
Das geschah im letzten Augenblick, denn vor mir zog sich die Szenerie zusammen. Sie verdichtete sich auf eine irre Art und Weise, sie wurde kompakt, über mir zuckten Blitze hinweg, die nicht nur auf mich zielten, sondern auch auf die Gestalt.
Ich zog den Kopf ein.
Ein Blitz raste in meinen Körper.
Es war furchtbar. Ich hatte das Gefühl, in der Mitte gespalten zu werden, und mein Gegenüber schaute zu. Er rechnete damit, dass ich verbrannte, doch gegen diese magische Kraft stemmte sich mein Kreuz.
Es schickte den Blitz zurück.
Jetzt schrie der andere, als er wie grelles Feuer dicht vor seinem Gesicht in die Höhe huschte.
Mehr geschah nicht.
Denn beide stürzten wir ins Nichts. Die Brücke zwischen den Zeiten war zusammengebrochen…
***
Doris Clinton hatte die beiden Männer gesehen, und sie waren ihr vorgekommen wie die Retter aus einer fernen Zeit. Sie konnte auch nicht mehr weiterdenken, sie erlebte nur, dass einer der beiden sie packte und dann nach hinten schleuderte, weg aus dieser Sphäre und hinein in eine andere, aber normale Welt.
Doris fiel gegen starke, federnde Arme, und sie hörte eine Stimme, die beruhigend auf sie einsprach, während sie von ihrem Retter weitergezogen wurde.
Erst nahe der Tür blieben beide stehen. Doris hatte ihr Gesicht gegen Sukos Schulter gepresst, so bekam sie nicht mit, was da vorn passierte, denn die seltsame Bühne, auf der ein Akteur gewechselt hatte, verschwand vor Sukos Augen.
Stroboskopartiges Licht umgab die beiden Gestalten. Blitze flammten auf zu Netzen, die John Sinclair töten sollten, aber dessen Kreuz wehrte sie ab.
Er schickte sie zurück in eine Umgebung und eine Finsternis, die sich verdichtete und die Insel immer mehr zusammendrückte – bis sie verschwunden war.
Nichts mehr.
Keine Brücke, keine Säule, keine Menschen, nur die normale, durch eingeschaltete Lampen in die Tiefe geschickte Helligkeit, die sich wie ein Teppich ausbreitete.
Suko hielt die Frau im Arm, er sprach kein Wort, er schaute nur dorthin, wo beide Männer verschwunden waren. Es war ein regelrechtes Loch gerissen worden. Da hatte ihm die Zeit ein Schnippchen geschlagen. Sie war aufgeklafft, und ungeheuer starke Kräfte hatten beide verschlungen und tief in andere Sphären hineingerissen. So etwas konnte nur ein Dämon schaffen, und Suko musste zugeben, dass John und er diese Gestalt einfach unterschätzt hatten.
Aber auch die anderen, denn fünf Leichen redeten eine deutlich makabre Sprache.
Die Bewegung der Frau riss den Inspektor aus seinen Gedanken.
Doris hob den Kopf, schaute in das Gesicht eines ihr fremden Asiaten und fasste sofort Vertrauen zu ihm, denn sein Lächeln und der Ausdruck in den Augen ließen sie so handeln.
»Danke«, stammelte
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