0777 - Phantom aus der Vergangenheit
ihnen befanden sich auch einige Kinder, die von ihren Eltern an den Händen gehalten wurden. Auch sie sollten Zeugen einer Bluttat werden. Ich erinnerte mich an Berichte aus dem Mittelalter, wo Hinrichtungen immer wieder zu großen Volksfesten entartet waren.
Drei junge Frauen sollten sterben!
Sie weinten, sie konnten sich kaum auf den Beinen halten. Ihre nackten Füße schleiften über den Boden. Die langen Haare waren verfilzt, die Kleidung war zerrissen und sehr schmutzig. Wahrscheinlich hatten sie zuvor schon unter den perversen Spielarten grausamer Folterknechte gelitten. Die Gesichter waren vom Leid gezeichnet. Im Schein der Fackeln wirkten sie wie dumpfe Masken.
Die Masse der Menschen ging nicht bis zur Brücke vor. Sie blieb stehen und bildete einen Halbkreis, wobei sich die Fackelträger an den Seiten aufgebaut hatten und ihr Licht über die Versammlung strömen ließen. Manchmal kamen mir die Flammen wie Arme vor.
Sie rissen immer wieder Löcher in die Dunkelheit, waren wie flatternde Fahnen, die jemand nach vorn schleuderte und wieder zurückzog.
Das Licht reichte aus. Es schuf zugleich eine schaurige Atmosphäre, die dem Tod und einem langsamen Sterben würdig war.
Die letzten beiden Aufpasser waren von den Rücken ihrer Pferde gestiegen und hatten die Tiere abseits stehen lassen. Jetzt drängten sie sich wieder vor. Ihr Ziel waren die drei Frauen. Sie hatten sich nicht mehr auf den Beinen halten können und waren vor der Brücke zusammengebrochen, scharf bewacht von den anderen Aufpassern.
Noch wurden ihre Hüften von dem langen Strick umschlungen, was sich schnell änderte. Die ankommenden Gehilfen zogen lange Messer oder Kurzschwerter aus ihren Gürteln und schlugen den Strick durch.
Die drei unglücklichen Frauen bekamen dies kaum mit. Sie lagen zusammengesunken auf dem Boden, weinten, ihre Schultern zuckten, und die langen, verfilzten Haare bedeckten ihre Köpfe.
Sie boten einen schlimmen, bedauernswerten Anblick, aber das rührte keinen Zuschauer. Die Menschen wollten ihr Erlebnis haben, und sie würden es bekommen.
An mich dachte niemand. Man hatte mich nicht entdeckt, die Säule war breit genug. Aber ich stand günstig, um alles überschauen zu können. Schon jetzt dachte ich darüber nach, was wohl geschehen würde, wenn jemand versuchte, die Frauen zu töten.
Dann musste ich eingreifen. Ich konnte nicht anders. Es wäre gegen meine eigene Moral gewesen, hätte ich dem Grauen einfach nur zugeschaut.
Noch war das Phantom nicht zu sehen, aber man kümmerte sich um die drei Frauen. Wieder waren es die vier Aufpasser, die sich mit ihnen beschäftigten.
Sie gingen hin, bückten sich und zerrten sie auf die Beine. Die Bedauernswerten sahen aus, als würden sie unter Drogen stehen. Sie konnten sich kaum auf den Beinen halten, immer wieder sackten sie zusammen und mussten hochgezerrt werden.
Schließlich standen sie schwankend da. Soeben noch hatten sie Kraft finden können, und sie mussten sich gegenseitig festhalten, um nicht von der Brücke zu fallen.
Die Wächter umschlichen sie. Zwei von ihnen trugen klumpige Helme auf den Köpfen. Sie hatten auch Fellwesten über die muskulösen Körper gehängt und ihre Haut mit einem ranzig stinkenden Fett dick eingerieben.
Die Frauen standen zusammen. Ich konnte gegen ihre Profile schauen. Auch sie zeigten die Furcht in den Gesichtern, und wenn der Widerschein des Feuers in ihre Augen hineinglitt, dann sahen sie aus, als wären tiefe Höhlen ausgeleuchtet worden.
Ein Aufpasser sprach in einem scharfen Befehlston zu ihnen. Er war erst zufrieden, als er Antworten hörte. Dann zog er sich zurück und gesellte sich zu den anderen, aber abseits der normalen Zuschauer. Die Wächter bildeten eben eine Kaste für sich.
Meiner Ansicht nach konnte es nicht mehr lange dauern, bis der Höhepunkt erreicht wurde. Das allerdings klappte nicht ohne eine bestimmte Beschwörung. Aus der Menge trat ein alter Mann vor und blieb erst stehen, als er die Brücke erreicht hatte. Er legte seine Hände mit den Flächen zusammen und drückte die Arme in die Höhe, als wollte er den düsteren Himmel anbeten.
Ich schaute mir den Mann genauer an. Sein schlohweißes Haar und seine ganze Aufmachung erinnerten mich an einen Druiden-Priester, der die alten Beschwörungsformeln kannte und auch anzuwenden wusste. Vor ihm rammte jemand eine Fackel in den Boden, sodass sein Gesicht durch den Widerschein zu einer rötlichen Maske wurde. Er öffnete den Mund. Im Gesicht klaffte
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