0779 - Der Nebelwolf
Wasserfläche doch an. Sie wird vom Wind kaum bewegt. Ich bin sicher, dass da etwas anderes vorgefallen ist. Dieser Teppich des Bösen hat sich versteckt. Er… er wird irgendwo in der Tiefe lauern.«
»Meinen Sie?«
»Davon bin ich sogar überzeugt. Er kann sogar denken, er hat einen Plan gefasst, bei dem wir die Hauptrolle spielen. Ich denke mir, dass er nur auf uns wartet. Wir müssen von dieser Insel weg. Wenn wir auf dem Wasser sind, wird er erscheinen. Er lauert in der Tiefe, er lotet uns aus, er wird sich unserer Gedanken bemächtigen, denn ich habe ja erlebt, wie er in mein Gehirn eindrang, um mich geistig zu erwürgen. Das ist… das ist einfach furchtbar.«
»Aber weg von hier müssen wir.«
Hoss Ivory nickte. »Sie glauben gar nicht, wie mir das unter die Haut geht, John. Ich habe Angst davor. Ich fürchte mich, und ich habe das Gefühl, in den Tod zu rudern.«
»He, Hoss«, sagte ich und stieß ihn in die Seite. »Was ist denn los mit Ihnen? So kenne ich Sie nicht.«
»Ja, das weiß ich«, keuchte er. »Sie haben dieses schleichende Grauen auch nicht erlebt. Das war der Sirup des Wahnsinns, der sich in mein Gehirn drückte.«
»Ja, das kann ich begreifen. Ich weiß nicht, Hoss, welche Macht sich uns da möglicherweise entgegenstellt, ich weiß nur, dass wir uns nicht kampflos ergeben werden.«
»Tatsächlich?« Er sah aus, als wollte er mich auslachen. »Und wie wollen Sie das anstellen?«
»Das zeige ich Ihnen, wenn es so weit ist. Hier hält mich nichts mehr. Wir hatten uns vorgenommen, noch vor Anbruch der Dunkelheit wieder im Ort zu sein.«
»Falls wir ihn je wiedersehen«, flüsterte Hoss.
Ich sagte nichts, sondern bückte mich und fing damit an, das Boot ins Wasser zu schieben. Als ich reinsprang, schob Hoss Ivory weiter.
Sein Zittern konnte ich nicht übersehen. Auch in der gebückten Haltung hob er den Kopf an, um über die weite Fläche schauen zu können, über die noch immer Nebelschwaden trieben.
In dem Augenblick, als sich der Bug vom Land löste, sprang auch Hoss. Mit ausgebreiteten Armen war er dabei, das Schaukeln des Bootes auszugleichen, bevor er sich wieder in der Mitte niederließ.
»Soll ich rudern?«, fragte ich.
»Nein, diesmal rudert keiner. Wir werfen den Außenborder an. Ich will so schnell wie möglich weg.«
»Kann ich verstehen.«
Er hielt bereits die Schnur gepackt und zerrte einige Male daran.
Zuerst nicht kräftig genug. Ivory fluchte, bevor er einen neuen Versuch startete, der dann klappte. Der Motor hustete und spuckte, dann endlich lief er rund. Seine Schraube durchpflügte das Wasser und holte auch einiges an Schlamm vom Grund hoch. Das Zeug drang wie ein düsterer Nebel an die Oberfläche.
Es war kein besonders starker Motor. Viel schneller waren wir auch nicht, aber wir hatten die Hände frei, und das zählte. Wir hatten noch schnell die Plätze getauscht. Ich war jetzt in der Mitte, Hoss am Heck.
Natürlich dachte ich an die schwarze Masse, deshalb suchte ich ständig die Oberfläche dieses Sumpfes ab, ohne sie allerdings entdecken zu können. Viele Fragen zuckten mir durch den Kopf. Natürlich überlegte ich dabei, ob Hoss sich geirrt haben könnte. Er war zwar nervlich angespannt, doch Halluzinationen hatte er sicherlich nicht.
»Jetzt denken Sie, dass ich ein Spinner bin, nicht?«
Ich schaute kurz nach rechts und schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich das?«
»Weil es keine Erklärung für meine Entdeckung gibt.«
»Warten wir es ab, Hoss.«
Er nickte und atmete dabei durch. »Wenn ich ehrlich sein soll, John, dann möchte ich sie nicht mehr sehen. Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn sich unsichtbare, gierige Finger in Ihr Gehirn schleichen und es malträtieren.« Er schüttelte sich und blickte gespannt auf das grünliche Wasser.
»Doch, das kann ich«, sagte ich.
»Haben Sie das schon erlebt?«, flüsterte er.
Ich lächelte und dachte an einige Situationen, als andere Mächte versuchthatten, mich unter ihre Kontrolle zu bekommen. »Doch, Hoss, das kenne ich. Leider. Doch ich habe es überstanden.«
»Wie haben Sie sich denn gewehrt?«
»Gute Frage«, murmelte ich, »auch durch meinen Schutz.«
»Ist es das Kreuz, das Sie mir gezeigt haben?«
»Ja.«
»So etwas habe ich ja nicht«, flüsterte er. Das heißt, die Antwort las ich ihm mehr von den Lippen ab, denn das Tuckern des Außenborders hatte seine Worte übertönt.
Wir hielten bewusst auf die Stelle zu, wo Hoss Ivory die ungewöhnliche Entdeckung gemacht
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