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0779 - Der Nebelwolf

0779 - Der Nebelwolf

Titel: 0779 - Der Nebelwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hatte. Die Fläche zu umfahren hätte Zeit gekostet, der Bogen wäre ziemlich groß gewesen.
    Ich gönnte auch der Insel einen Blick. Sie stand hier wie ein Stück Urgestein oder ein düsterer Wächter, der alles unter Kontrolle hielt.
    Von den Grabsteinen konnte ich aus dieser Entfernung nichts mehr sehen. Die dicht gestaffelt stehenden Bäume verdeckten sie. Aus dieser Distanz wirkten sie wie schwarze Skelette. Das war mir bei der Herfahrt gar nicht aufgefallen. Manchmal zitterten dünnere Zweige, ansonsten bewegten sie sich kaum. Die Insel machte einen bedrohlichen Eindruck. Wenn ich dabei noch an den Friedhof dachte, der praktisch aus dem Nichts entstanden war – ich glaubte Ivory, dass es zuvor noch nicht dagewesen war –, dann fragte ich mich schon, welches Spiel hier ablief und welche Macht hier die Kontrolle hatte.
    Von den geheimnisvollen Wölfen hatten wir bisher weder etwas gesehen noch gehört. Überhaupt war eigentlich nicht viel passiert, aber das hattenichts zu sagen. Die Bedrohung war da, nur konnten wir sie nicht sehen.
    Je näher wir der bestimmten Stelle kamen, umso nervöser wurde Hoss Ivory. Er schaute sich immer wieder um. Er bewegte den Mund, ohne etwas laut zu sagen. Die Gänsehaut war auf seinem Körper ein permanenter Gast, und das gefiel mir nicht.
    »Merken Sie etwas?«, fragte ich ihn.
    »Nein, eigentlich nicht.« Wieder musste er schlucken. »Aber ich weiß, dass wir noch nicht in Sicherheit sind.«
    »Wir werden sehen.«
    Sekunden später bekam ich bestätigt, wie Recht Hoss Ivory mit seiner Vermutung hatte. Plötzlich fing das Wasser an, sich zu bewegen. Es warf in dem Sinne keine Wellen, aber es veränderte sich trotzdem, denn die grüne Oberfläche verschwamm, und es sah so aus, als würden aus der Tiefe Schatten hervorsteigen.
    »John…«
    Ich hatte seinen Ruf sehr wohl vernommen. Ivorys Stimme klirrte, als er meinen Namen noch einmal rief, und ich streckte ihm zur Beruhigung meine Hand entgegen. »Keine Sorge, das habe ich schon alles gesehen. Bleiben Sie nur ruhig.«
    »Ja, ich werde…«
    »Warum haben Sie den Motor abgestellt, Hoss?«
    Erst jetzt fiel auch ihm die Stille auf, und er schüttelte erstaunt den Kopf. »Das habe ich nicht.«
    »Was?«
    »Nein, John, der ist von allein… ich meine, ich habe ihn nicht einmal berührt.«
    »Schon gut«, sagte ich.
    Er lachte leise. »Das ist doch… das ist doch … können Sie sich das erklären?«
    Ich legte einen Finger auf meine Lippen und deutete ihm an, den Mund zu halten. Das tat er auch, aber er starrte verzweifelt und abwechselndüber beide Bordwände hinweg, um sehen zu können, was sich in der Tiefe des Tümpels tat.
    Es war tatsächlich etwas geschehen. Das Wasser konnte man als verhältnismäßig klar ansehen. Manchmal wirkte es wie ein rauchiger Spiegel, und ich sah, wie aus der Tiefe etwas vorstieg, das ich nicht begreifen konnte. Es waren lange Bahnen, flattrig und grau, beinahe wie Gardinen, die sich ständig vermehrten und immer mehr verteilten. Hoss Ivory hatte von den kalten, feuchten Fingern gesprochen, die sich in seinen Geist hatten bohren wollen. Waren diese Schatten im Wasser mit den von ihm beschriebenen Fingern identisch?
    Ich blickte ihn an.
    Er saß völlig verkrampft auf seiner Ruderbank am Heck. Sein Gesicht zeigte eine totenbleiche Farbe, die Augen erinnerten mich an starre Perlen. Selbst in die Pupillen schienen die Schatten schon eingedrungen zu sein, denn die waren anscheinend dunkler geworden.
    Hoss Ivory erinnerte mich an eine Spielpuppe, die zwar aufgezogen worden war, aber noch nicht ablief, sondern darauf wartete, dass eine bestimmte Sperre gelöst wurde.
    Unterdessen veränderte sich das Wasser auch weiterhin. Da waren die langen, trägen Schattenbahnen, die durch die Tiefe trieben und das hellere Grün abgelöst hatten. Sie ließen das Wasser aussehen wie schwarze Tinte, und ich wartete praktisch darauf, dass diese Schatten – wer immer sie auch sein mochten – ihre gierigen Finger ausstreckten, um mich zu umfassen.
    Die Gefahr war nah, sehr nah sogar. Und sie war anders, nicht erklärbar, sie stammte aus einer fremden Welt, sie brachte eine ferne Magie mit, denn sie versuchte, auch mich zu greifen.
    Aber ich hatte mein Kreuz!
    Schützte es, schützte es mich nicht?
    Im ersten Moment spürte ich einen harten Druck auf der Brust.
    Dann rannte sich etwas in mein Gehirn hinein, doch nur für einen Moment, es verschwand sofort wieder, als hätte dieses Etwas eingesehen, dass es keinen Sinn

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