0779 - Gucky und der Grauvater
Winterkinder auf Kursobilth, und besonders viele in Arp'arongh.
Sie waren durchwegs an Geist und Körper geschädigt, verhüllten ihre physischen Makel unter schwarzen Tüchern und lebten zumeist im Elend. Nur wenige Winterkinder konnten sich rehabilitieren und brachten es zu Wohlstand.
Winterkinder waren Söhne und Töchter von Feyerdalerinnen, die in ihrer Schwangerschaft gegen die Gesetze verstoßen hatten.
Ein uraltes und grausames Gesetz verbot auf Kursobilth eine Schwangerschaftsunterbrechung.
Statt dessen wurden schwangere Feyerdalerinnen, die gefehlt hatten, in die Regionen des ewigen Eises geschickt. Dort mußten sie ihre Kinder zur Welt bringen. Viele kamen dabei um, viele verloren ihre Kinder - aber noch mehr kamen mit ihren Neugeborenen aus dem Winter zurück. Und diese waren durch die Entbehrungen und die Strapazen geistig und körperlich gezeichnet.
Es gab zwar einige Rehabilitationszentren, in denen die Winterkinder auf ein neues Leben vorbereitet wurden.
Aber zum Unterschied von Minderkindern, die nur parapsychisch beeinflußt worden waren und in den meisten Fällen geistig sogar potenter waren als der Durchschnittsfeyerdaler, konnten die Winterkinder nie recht in die Gesellschaft integriert werden.
In den Rehabilitationszentren hatte man eher ihre Komplexe als ihr Selbstvertrauen gefördert.
Ich kannte genug Sammelplätze von Winterkindern, und suchte einen von ihnen in meiner Verkleidung auf. Dort blieb ich einen ganzen Tag, bis ich sicher sein konnte, daß die Mundpropaganda der GALANSCH die ersten Erfolge zeitigte.
Es mußte sich in den verbrecherischen Kreisen herumgesprochen haben, daß der Kinderfinder ein Verräter geworden war.
Ich hatte die Adressen von sieben Kontaktleuten der Zharyox und wollte sie nacheinander aufsuchen, bis ich Erfolg hatte. Ich wollte mit jenem Kontaktmann beginnen, der dem Sammelplatz der Winterkinder am nächsten wohnte.
In der Dämmerung machte ich mich auf den Weg. Die Straßen der Hauptstadt waren um diese Zeit wie ausgestorben. Es waren nur wenige Passanten unterwegs, die Luftbusse waren fast leer, nur selten tauchte ein Patrouillenfahrzeug der GALANSCH auf.
Ganz Arp'arongh trug Trauer.
Es hatte sich herumgesprochen, daß ein Grauvater den ungeborenen Regenten der 20.000 Väter zu beeinflussen versuchte. Nun beteten die Feyerda-ler zu Hause um das Heil des kommenden Regenten, suchten die Gedenkstätten der früheren Regenten auf, als könnten sie die Toten beschwören, etwas für den Ungeborenen zu tun.
Im Palastpark hatten sich Tausende von Feyerdalern versammelt, um mit Harrerath zu trauern, der seine Residenz mit der Farbe der Trauer hatte überziehen lassen: Grau.
Und so war ganz Arp'arongh Grau in Grau.
Mir war das alles unverständlich. Schon am frühen Morgen, als sich das Gerücht von dem Grauvater wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, hatte ich Coopter in seinem Hauptquartier angerufen.
„Warum hast du die Existenz des Grauvaters nicht geheimgehalten?" stellte ich ihn zur Rede. „Willst du, daß in der Hauptstadt eine Panik ausbricht!"
„Mich hat das selbst wie ein Eissturm getroffen", antwortete er.
„Für wie dumm hältst du mich denn? Glaubst du, ich würde das Volk absichtlich verunsichern?"
„Aber irgend jemand muß das Gerücht verbreitet haben."
„Natürlich. Es kann nur so sein, daß es einen Verräter in unseren Reihen gibt, der für die Zharyox arbeitet. Aber das war uns schon vorher klar. Übrigens habe ich ein anderes Gerücht ausgesprengt. Du weißt schon."
„Und?"
„Die Sache läßt sich gut an. Du kannst heute noch an die Arbeit gehen. Wie willst du vorgehen?"
Ich hatte nicht einmal Coopter verraten, daß ich mich unter die Winterkinder gemischt hatte.
„Ich werde dir in zwei Tagen Bericht erstatten", sagte ich ausweichend. „Den genauen Treffpunkt teile ich dir noch mit."
Damit hatte ich das Gespräch beendet Jetzt war ich auf dem Weg zum ersten Kontaktmann. Er wohnte in einem Mehrstockhaus in einer Seitenstraße am Rande von Arp'arongh. Dieser Randbezirk war überhaupt völlig ausgestorben, als hätte eine Seuche alle Lebewesen hinweggerafft.
Ein einzelnes Winterkind fiel unter diesen Umständen besonders auf. Deshalb betrat ich nicht das Gebäude, in dem der Kontaktmann der Zharyox wohnte, sondern suchte das Nachbarhaus auf. Von dort gelangte ich durch den Versorgungstunnel in das Mehrstockhaus.
Ich benutzte die Nottreppe, um in die vierte Etage zu gelangen.
Von irgendwoher erklang gedämpfte Musik
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