078 - Das Dorf der Wolfsmenschen
mit.“
Ich packte sie am rechten Arm und zog sie vorwärts. Ich ging ziemlich rasch. Anfangs wehrte sich Susan, doch dann resignierte sie und folgte mir schweigend.
Die Sonne stand nun hoch am Himmel, und unsere Kleider wurden langsam trocken.
Als wir an einem kleinen Bach vorbeikamen, blieben wir stehen und tranken.
Nach einigen Minuten eilten wir weiter.
Kurz nach 16 Uhr hatten wir die Bundesstraße 3 erreicht.
Bisher waren wir nicht verfolgt worden.
Wir stellten uns an den Straßenrand, und ich versuchte einige Autos anzuhalten, doch keines blieb stehen. Um diese Zeit herrschte nur wenig Verkehr.
Nach zehn Minuten näherte sich ein Sattelschlepper. Ich winkte mit beiden Händen. Er blieb stehen.
„Nehmen Sie uns ein Stück mit?“ fragte ich den Fahrer, einen jungen Burschen mit schulterlangem Haar.
„Steigen Sie ein“, sagte er. „Ich fahre nach Saranac Lake.“
Susan kletterte in das Führerhaus, und ich folgte ihr.
Das Mädchen war nervös und ihr Gesicht weiß wie frisch gefallener Schnee. Die Hände hatte sie im Schoß gefaltet und die Lippen zusammengepreßt.
Ich versuchte, mit dem Fahrer ein Gespräch anzufangen, doch er gab nur knappe Antworten, und nach einiger Zeit schwieg ich auch. Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. Das sanfte Brummen des schweren Motors machte mich schläfrig.
Gelegentlich schlug ich die Augen auf. Links vor uns erhoben sich die Alderbrooks Mountains.
Susan zitterte, und ich legte einen Arm um ihre Schultern. Sie sah mich kurz an, und ich las die Angst in ihren Augen.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, sie nicht mitzunehmen. Mir war völlig klar, daß die Werwölfe den Tod eines der ihren nicht ruhig hinnehmen würden.
Meine Chancen standen schlecht, verdammt schlecht.
Bis jetzt war unsere Flucht mehr oder minder programmgemäß verlaufen. Aber das konnte sich bald ändern.
Wir fuhren durch Vermontville und erreichten zwanzig Minuten später Bloomingdale.
Es wurde langsam dunkel. Der Fahrer stellte die Scheinwerfer an. „In zehn Minuten sind wir in Saranac Lake“, sagte er.
In der Main Street hielt er. Wir stiegen aus.
„Besten Dank, daß Sie uns mitgenommen haben“, sagte ich.
„Nichts zu danken“, sagte er und beugte sich etwas vor. Sein Gesicht verzerrte sich, wurde zu einer teuflischen Fratze. „Sie werden nicht weit kommen, Mr. Collins. Sie sind rettungslos verloren!“
Bevor ich noch etwas sagen konnte, fuhr er los, und ich sah dem Wagen nachdenklich hinterher.
Susan klammerte sich ängstlich an mich.
„Wir werden versuchen, einen Leihwagen zu bekommen“, sagte ich, ohne auf die Worte des Fahrers einzugehen.
„Haben Sie nicht gehört, was er gesagt hat, Dick?“ Ihre Stimme klang schrill.
„Ja“, sagte ich. „Aber davon lasse ich mich nicht aufhalten.“
Eine Stunde später war es uns noch immer nicht gelungen, einen Wagen aufzutreiben. Und der letzte Autobus nach New York City war vor einer halben Stunde abgefahren.
Es blieb uns keine andere Wahl, wir mußten in Saranac Lake übernachten.
In einem Motel am Rande der Stadt nahmen wir uns ein Zimmer.
Es war groß und geschmackvoll eingerichtet. Susan setzte sich aufs Bett.
„Was nun?“ fragte sie.
„Vorerst gehen wir einmal essen“, sagte ich. „Und dann werden wir bald schlafen gehen.“
„Sie wissen, daß wir uns in Saranac Lake aufhalten. Und sie werden uns holen“, sagte das Mädchen.
„Ich habe noch immer meinen Silberdolch“, sagte ich.
„Der wird Ihnen auch nicht viel helfen“, sagte Susan. „Die Werwölfe verfügen über Mittel und Wege, die einfach unvorstellbar sind.“
Ich zuckte die Schultern. „Ich werde zur Polizei gehen“, sagte ich.
„Das ist doch Unsinn. Darüber sprachen wir schon einmal. Kein Mensch wird Ihnen glauben. Man wird Sie höchstens festnehmen, weil man meint, Sie seien verrückt geworden.“
Ich ging gereizt im Zimmer auf und ab. Was sollte ich wirklich unternehmen? Es mußte doch eine Möglichkeit geben, irgendwo unterzutauchen. Aber wo?
„Gehen wir in den Speisesaal“, sagte ich schließlich so ruhig wie möglich.
„Ich habe keinen Hunger“, meinte Susan.
„Keine Widerrede. Wir haben seit dem Frühstück nichts gegessen. Stehen Sie auf.“
Widerwillig folgte sie mir. Wir setzten uns an einen Tisch in der Ecke des großen Raumes.
Ein hübsches Mädchen brachte uns die Speisekarten.
Plötzlich begannen meine Hände zu jucken. Ein leichtes Ziehen durchlief meine Arme bis zu den
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