078 - Das Dorf der Wolfsmenschen
Jahre her, seit ich das letztemal auf einem Rummelplatz gewesen war.
Es war kurz nach zwanzig Uhr und ziemlich viel Betrieb.
Der Lärm kam von einem Dutzend Teenagern, die mit einem Kettenkarussell fuhren. Aber das Geheul und Gedröhn, das von der Achterbahn zu mir herüberdrang, übertönte alles. Das laute Schreien der Ausrufer und das Quietschen der unzähligen Geräte mischte sich mit hinein und verdichtete sich zu einer ohrenbetäubenden Symphonie.
Überall, wohin ich auch blickte, sah ich nur vergnügte Gesichter.
Ich kam mir wie ein Ausgestoßener inmitten des turbulenten Treibens vor. Mir war alles andere als zum Lachen zumute.
Langsam schlenderte ich zwischen den Geisterbahnen, Spiegelkabinetten und Getränkebuden hindurch, doch von Susan sah ich nichts.
Ich kaufte mir ein Hot Dog und ein Glas Limonade. Ich würgte das Würstchen hinunter und nippte an dem Getränk.
Wieder nahm ich meine Wanderung auf. Ich ging kreuz und quer durch die schmalen Gassen und blieb vor einem Autodrom stehen. Eines der Mädchen erinnerte mich an Susan. Ich kam näher, doch es war eine Fremde. Enttäuscht ging ich weiter.
Ich blickte auf die Uhr. Mehr als eine Stunde war vergangen, seit ich den Rummelplatz betreten hatte.
Ich beschloß, mich mit der Polizei in Verbindung zu setzen. Zwar versprach ich mir nicht viel davon, aber ich wußte mir einfach keinen Rat mehr.
Mit gesenktem Kopf ging ich an einer Wahrsagerin vorbei.
„Tun Sie einen Blick in die Zukunft, Sir!“ rief sie mir zu.
Ich sah auf. Eine alte Frau saß hinter einem abgewetzten Tisch. Sie war unglaublich fett. Aus dem runden Gesicht blitzten mich rabenschwarze Augen an. Vor ihr lag ein Paket Karten.
Ich schüttelte den Kopf.
„Es kostet Sie nur einen Dollar, Sir“, rief sie mir nach. „Einen Dollar, und Sie wissen, was Ihnen die Zukunft bringen wird. Nur einen Dollar, Sir!“
Ich achtete nicht auf ihre Worte. Ich hielt nichts vom Kartenaufschlagen.
Ich blickte nach links.
Und da sah ich Susan Hogart.
Ihr hübsches Gesicht war völlig ausdruckslos. Sie kam auf mich zu. Die Augen hatte sie halb geschlossen. Sie ging wie eine Marionette. Ihre Bewegungen wirkten seltsam ungelenk.
„Susan!“ rief ich und lief ihr entgegen.
Sie blickte an mir vorbei.
„Susan, ich bin es, Dick Collins“, sagte ich eindringlich, doch sie lief weiter. Ich folgte ihr.
Ich legte einen Arm um ihre Hüften und zog sie an mich.
„Susan“, begann ich wieder. „Erkennen Sie mich nicht?“
Sie gab mir keine Antwort und versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien.
„Was ist mit Ihnen geschehen?“
Sie blieb stumm, riß sich los und ging torkelnd weiter. Ich blieb dicht hinter ihr und sprach beschwörend auf sie ein.
Ich wollte ihr folgen, denn ich war gespannt, wohin sie gehen würde. Wir betraten eine schmale Gasse, die vom Rummelplatz fortführte und auf ein einsames Haus zulief.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir. Ich wandte den Kopf und erblickte zwei hünenhafte Männer, die mir folgten. Sie kamen rasch näher.
Ich schenkte ihnen nicht viel Beachtung, was ein Fehler war. Ich ließ Susan nicht aus den Augen. Ihre Bewegungen waren nun sicherer geworden, und sie ging zielstrebig die dunkle Gasse entlang.
Die beiden Männer waren dicht hinter mir. Ich sah mich um und blieb stehen. Sie sahen wie Zwillinge aus, trugen dunkle Samtjeans und weiße Hemden, deren Ärmel aufgeschlagen waren und die muskulösen Unterarme entblößten.
Einer der Männer packte meinen rechten Arm und riß mich zurück. Ich wollte mich befreien, da griff auch der zweite zu.
Ich sah in ihre Gesichter. Die Augen lagen tief in den Höhlen und musterten mich gleichgültig. Ihre Nasen waren flach und die Brauen buschig.
„Lassen Sie mich los“, sagte ich unwillig. Ich versuchte mich loszureißen, doch ihre Hände hielten mich wie ein Schraubstock.
„Was wollen Sie von mir?“ fragte ich keuchend.
Ich bekam keine Antwort. Die beiden hoben mich hoch und schleppten mich zu einer Rosenhecke. Dahinter setzten sie mich ab, und einer ließ mich los. Ich wirbelte herum und drosch dem Mann, der mich hielt, die geballte Faust in den Magen. Er steckte den Schlag ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich schlug nochmals zu. Diesmal hatte ich mit der Handkante gegen seine Halsschlagader gezielt und auch gut getroffen. Doch auch diesen Hieb, in den ich alle Kraft gelegt hatte, verdaute der Hüne. Bevor ich nochmals zuschlagen konnte, trat sein Kumpan in Erscheinung.
Eine riesige
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