078 - Das Dorf der Wolfsmenschen
mir keine Antwort. Sie lauschte angestrengt.
„Ist etwas?“ fragte ich.
Sie wandte den Kopf und ihre Nasenflügel bebten. Ihre Augen weiteten sich, und sie ließ den Mischwald, den wir gerade verlassen hatten, nicht aus den Augen.
„Was ist los?“ fragte ich ungeduldig.
„Da kommt jemand“, flüsterte sie. „Und ich glaube, daß es ein …“
Da sah ich den schwarzen Wolf, der aus dem Wald lief. Als er uns entdeckte, blieb er stehen. Seine Augen funkelten uns böse an.
„Unsere Flucht wurde entdeckt“, sagte Susan. „Jetzt sind wir verloren.“
Ich sprang auf. „Ich ergebe mich nicht kampflos“, sagte ich und griff in die Brusttasche meiner Jacke. Ich holte den Silberdolch heraus und nahm ihn in die rechte Faust.
Ich starrte dem Wolf entgegen, der langsam auf uns zutrottete. Es war ein riesenhaftes Tier. Die schwarzen Nackenhaare waren gesträubt, und eine lange, dunkelrote Zunge hing aus dem gewaltigen Maul.
Der Wolf bewegte sich rascher.
Ich bückte mich und hob einen dicken Ast auf, den ich in die linke Hand nahm.
Einige Schritte vor uns blieb der Wolf stehen. Ich duckte mich und hob den Ast ein Stück. Das Tier stieß ein bösartiges Knurren aus.
Ich ließ es nicht aus den Augen. Als sich sein Körper etwas zusammenkrümmte, wußte ich, daß er mich anspringen würde.
Er sprang, und ich trat einen Schritt zur Seite. Mit voller Wucht ließ ich den Ast auf den langgezogenen Schädel des Untiers krachen. Ich hörte das Splittern von Knochen. Der Wolf heulte wütend auf und drehte sich mit gefletschten Zähnen um die eigene Achse. Wieder sprang er mich an, doch ich war auf der Hut. Wieder schlug ich mit dem Ast zu, doch diesmal verfehlte ich das Biest. Der Ast schlug auf den Boden, und die Wucht des Schlages brachte mich aus dem Gleichgewicht. Der Wolf sprang mich an, und seine Zähne schnappten nach meinem Gesicht.
Ich verkrallte meine linke Hand im Nacken des Wolfes und stieß mit dem Silberdolch zu. Einmal, zweimal. Die Waffe bohrte sich in den Bauch des Ungeheuers, und es stieß ein klägliches Wimmern aus. Die Gestalt schien plötzlich vor meinen Augen zu zerfließen, sie verwandelte sich in einen Wolfsmenschen.
Mit einem unwilligen Knurren schüttelte der Wolfsmensch meine linke Hand ab. Seine spitzen Krallen griffen nach mir.
In diesem Augenblick kam mir Susan zu Hilfe. Sie hob den großen Ast mit beiden Händen hoch, schwang ihn über ihrem Kopf und ließ ihn mit voller Wucht auf das Hinterhaupt des Ungeheuers niederkrachen. Der Wolfsmensch bewegte sich unsicher. Susan schlug nochmals zu. Wütend drehte sich die Bestie nach Susan um.
Auf diesen Augenblick hatte ich nur gewartet. Ich rammte den Silberdolch in die Brust des Angreifers. Mein Stoß war so gewaltig gewesen, daß sich die Klinge bis zum Knauf in das Herz des Monsters gebohrt hatte.
Ein Zittern durchlief den mächtigen Körper. Schwarzes, dickes Blut quoll aus der Wunde. Das Ungeheuer hob die Pranken, sein Oberkörper krümmte sich, dann taumelte es einige Schritte zurück, stolperte über den Baumstamm und fiel rücklings hin. Bewegungslos blieb das Monster liegen.
„Sie haben ihn getötet“, sagte Susan. „Jetzt sind wir verloren. Sie werden uns jagen, bis sie uns haben. Und es wird eine lange Jagd werden. Sie werden uns zu Tode hetzen. Es wäre besser, wir gäben gleich auf.“
„Ich denke nicht daran“, sagte ich grimmig.
„Wir haben keine Chance, Dick“, sagte Susan ängstlich. Ihr Gesicht war bleich.
Ich trat neben den toten Wolfsmenschen und sah ihn an. Dann beugte ich mich vor und zog den Dolch heraus.
In diesem Augenblick verwandelte sich der Wolfsmensch. Es dauerte nur einige wenige Augenblicke.
Die Haare fielen aus, der Körper wurde von unsichtbaren Händen gestreckt und die Gliedmaßen veränderten sich.
Der Wolfsmensch hatte seine ursprüngliche Gestalt angenommen.
„Es ist Bryan Fortey“, sagte ich.
Susan warf dem Toten einen flüchtigen Blick zu, dann wandte sie sich schaudernd ab. Die Augen des Toten waren weit aufgerissen. Schwarzes Blut rann noch immer aus seinen Brustwunden. Ich wischte den Dolch ab und steckte ihn ein.
„Gehen wir weiter“, sagte ich.
„Es hat keinen Sinn, Dick“, meinte Susan verzweifelt. „Stellen wir uns lieber.“
„Was würde geschehen, wenn wir ins Dorf kämen, Susan?“
„Sie würden uns töten“, sagte sie leise.
„Das dachte ich mir. Und bevor ich mich freiwillig den Werwölfen stelle, setze ich lieber die Flucht fort. Und Sie kommen
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