078 - Das Dorf der Wolfsmenschen
leuchtete, als hätte er sie poliert.
„Wohin ist das Mädchen gegangen, mit dem ich gekommen bin?“ fragte ich ihn.
„Ein Mädchen?“ Seine Stimme drückte Verwunderung aus.
„Ja“, sagte ich. „Susan Hogart. Sie gaben mir doch selbst den Zimmerschlüssel. Und wir trugen uns in Ihrem Gästebuch ein.“
„Sie müssen sich täuschen, Sir“, sagte er vorsichtig. „Sie kamen allein, und ich wunderte mich schon, weshalb Sie ein Doppelbettzimmer nahmen.“
„Zeigen Sie mir das Gästebuch“, sagte ich drohend.
Er blickte mich an, als habe er einen Schwachsinnigen vor sich. Er preßte die Lippen zusammen und reichte mir das Gästebuch. Ich schlug es auf.
Als letzte Eintragung war mein Name verzeichnet. Susans Name fehlte. Und soweit ich es beurteilen konnte, war nichts radiert worden.
Ich warf das Buch unwillig auf das Pult zurück. Das ging nicht mit rechten Dingen zu.
Wahrscheinlich waren die Serviererin und der Portier beeinflußt worden..
„Ist Ihnen nicht gut, Sir?“ fragte der Kahlköpfige. „Soll ich einen Arzt rufen?“
„Es geht schon“, erwiderte ich unwillig und ging den Gang entlang, der zu meinem Zimmer führte. Ich sperrte auf und trat ein. Von Susan keine Spur. Ich öffnete das Fenster und starrte auf den Parkplatz. Ein halbes Dutzend Autos standen darauf, alle mit New Yorker Kennzeichen.
Ich riß die Zigarettenpackung auf und steckte mir eine an, die ich hastig rauchte.
Susan war weg. Sollte ich die Polizei einschalten?
Da war wieder das Jucken in meinen Händen. Ich holte den Dolch hervor, und sofort verschwand das Kribbeln. Ich setzte mich auf einen Stuhl und überlegte weiter.
Das Klopfen an der Tür riß mich aus meinen Gedanken.
„Herein“, rief ich und sprang auf.
Ein junges Mädchen trat ins Zimmer. Ihr Haar war kurz geschnitten und das Gesicht unbewegt.
„Mr. Collins?“ fragte sie.
„Ja“, sagte ich.
„Ich soll Ihnen diesen Zettel geben.“ Ihre Stimme klang eigenartig hoch.
Sie hielt mir ein gefaltetes Papier hin. Sie drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen.
„Warten Sie“, sagte ich rasch. „Wer gab Ihnen diesen Zettel?“
Sie gab mir keine Antwort, sondern trat in den Gang hinaus. Ich folgte ihr und packte sie an der Schulter.
„Ich habe Sie etwas gefragt“, sagte ich scharf. „Woher haben Sie diesen Zettel?“
Ich blickte in ihre leeren Augen. Sie wirkte wie hypnotisiert, oder als ob sie unter Drogen stünde. Aus ihr würde ich nichts herausbekommen. Ich ließ ihre Schulter los, und sie ging weiter. Dann sah ich mir den Zettel näher an.
Auf dem Rummelplatz werden Sie Susan finden.
Der Satz war mit einem roten Filzschreiber geschrieben worden. Es war ein Rechnungsformular des Hotels. Ich knüllte es zusammen und steckte es in die Tasche.
Wer hatte den Zettel geschrieben? War das eine Falle?
Mein Entschluß stand fest. Ich würde dem Rummelplatz einen Besuch abstatten.
Ich löschte das Licht und sperrte das Zimmer ab, dann ging ich in die Empfangshalle. Der Mann mit der Glatze blickte mir mißtrauisch entgegen.
Ich griff in die Tasche, doch ich fand den Zettel nicht mehr. „Hm“, sagte ich. „Ich muß den Zettel irgendwo verloren haben. Ein rothaariges Mädchen brachte mir eine Nachricht auf mein Zimmer.“
„Ein rothaariges Mädchen, Sir?“ fragte er, und ich nickte. „Sie müssen sich irren. Bei uns ist kein Mädchen mit rotem Haar beschäftigt.“
„Vielleicht war es ein Gast?“
„Unmöglich“, sagte er entschieden. „Bei uns wohnt kein rothaariges Mädchen.“
„Langsam glaube ich selbst, daß ich verrückt bin“, sagte ich.
Er preßte pikiert die Lippen zusammen. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
„Gibt es hier einen Rummelplatz?“ fragte ich.
Er nickte feierlich. „Ja, Sir“, sagte er. „Sie können ihn nicht verfehlen. Gehen Sie die Straße entlang, die ins Zentrum führt. Bei der Tankstelle biegen Sie rechts ab und gehen dann immer geradeaus.“
„Danke.“ Ich legte den Zimmerschlüssel auf das Pult.
Ich verließ das Motel und blieb unschlüssig stehen. Es war kühl geworden. Einige Autos fuhren an mir vorbei. Ich stellte den Kragen hoch und knöpfte meine Jacke zu.
Rasch ging ich die Straße entlang. Nach fünf Minuten hatte ich die Tankstelle erreicht und bog nach rechts ab. Die Straße war schmal und führte zwischen einfachen Reihenhäusern hindurch.
Der Rummelplatz war tatsächlich nicht zu verfehlen. Zuerst hörte ich das laute Gekreisch, dann sah ich die flackernden Lichter. Es war
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