078 - Das Dorf der Wolfsmenschen
in dem Werwölfe hausen sollen. Da ernten Sie doch nur spöttisches Gelächter. Und wenn tatsächlich Erhebungen angestellt werden, so wird die Polizei von den Werwölfen augenblicklich beeinflußt. Unsere Chancen sind gleich Null!“
„Welche Waffen gibt es gegen Werwölfe?“
„Das halten sie geheim. Obzwar ich ein halber Werwolf bin, weiß ich über vieles nicht Bescheid. Ich weiß nur, daß Silber sie töten kann. Silberkugeln oder ein silbernes Messer.“
„Das trifft sich gut“, sagte ich. „Ich habe einen silbernen Dolch, der stammt noch von meinem Vater.“
Ich kramte in meinen Sachen und fand schließlich den Dolch. Als ich ihn aus der Lederhülle zog, ging ein elektrischer Schlag durch meinen Körper. Der Griff schien heiß zu sein. Ich warf den Dolch aufs Bett, und Susan zuckte erschreckt zusammen. Gebannt starrte sie die Waffe an.
„Nehmen Sie das Ding weg“, sagte sie keuchend. „Der Anblick verursacht mir Schmerzen. Sie dürfen nicht vergessen, daß ich ein Halbling bin.“
Ich wollte die Wirkung der Waffe näher testen. Wenn schon der bloße Anblick von Silber bei Susan Schmerzen hervorrief, wie mußte sie wohl auf eine Berührung mit dem Dolch reagieren?
Ich überwand meinen Widerwillen gegenüber der Waffe und nahm sie in die rechte Hand, dann setzte ich mich neben Susan und hielt sie mit der linken fest. Ich fuchtelte mit dem Dolch vor ihrem Gesicht hin und her, und sie lehnte sich weit zurück. Mit einer blitzschnellen Bewegung drückte ich die Klinge gegen ihren nackten Unterarm. Sie stieß einen schrillen Schrei aus. Wo die Waffe sie berührt hatte, zeichnete sich deutlich ein dunkelroter Fleck ab.
Ich schob den Dolch in die Lederhülle und legte ihn in die Tasche zurück.
Susan atmete schwer. „Ich finde es nicht fair, daß Sie mich als Versuchskaninchen benützen.“
„Tut mir leid, Susan“, sagte ich. „Ich mußte mich überzeugen, ob es tatsächlich stimmt, daß Werwölfe durch Silber zu verletzen sind. Diesen Beweis habe ich nun.“
„Ist schon gut“, sagte sie schwach.
„Wissen Sie eigentlich, wer mir vergangene Nacht einen Besuch abstattete?“ fragte ich.
„Nein“, erwiderte sie. „Keine Ahnung.“
„Ich hätte es gern gewußt“, sagte ich. „Dieser Werwolf hat meinen Kater getötet. Wissen Sie es wirklich nicht, oder wollen Sie es mir nur nicht sagen?“
„Ich weiß es wirklich nicht, Dick.“
Ich stand auf. „Zeit zum Schlafengehen“, sagte ich. „Wir brechen auf, sobald es hell geworden ist. Sie können hier bleiben. Ich lege mich im Wohnzimmer nieder.“
„Nein“, widersprach Susan. „Ich bin noch nicht müde. Erzählen Sie mir etwas über sich.“
„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, sagte ich. „Mein Vater starb vor meiner Geburt. Er fiel im Zweiten Weltkrieg. Ich wuchs bei meiner Mutter in New York auf. Dann ging ich zur Universität und seit sechs Jahren bin ich Lehrer.“
„Sie sind geschieden, nicht?“ fragte sie.
Ich nickte.
„Weshalb?“
Ich seufzte. „Das ist eine zu banale Geschichte. Junger Mann lernt hübsches Mädchen kennen, verliebt sich Hals über Kopf in sie und heiratet sie nach ein paar Wochen. Und dann stellt er fest, daß es eigentlich keine gemeinsame Basis für ein Zusammenleben gibt. Endlose Streitereien, gegenseitige Beschuldigungen, die schließlich zu einer grenzenlosen Leere führen. Und das Ende ist die Scheidung. Ein Fall unter tausend anderen.“
„Und weshalb nahmen Sie den Posten hier an?“
„Ich wollte fort“, sagte ich langsam. „Einfach weg. Ich wollte zu mir finden. Aber es kam ganz anders. Ich landete unter Werwölfen! Schluß mit der sinnlosen Rederei, Susan. Gehen wir schlafen.“
Als ich erwachte fühlte ich mich wie gerädert. Es war hell im Zimmer. Ich blieb einige Sekunden lang mit geschlossenen Augen liegen, dann sprang ich aus dem Bett.
Ich zog die Vorhänge zur Seite und öffnete das Fenster. Es war ein trüber Tag. Der Himmel war schmutziggrau, und es nieselte leicht.
Ich öffnete die Tür zum Schlafzimmer, um Susan aufzuwecken. Doch das Bett war leer.
„Susan“, rief ich.
„Ich bin in der Küche“, sagte sie. „Waschen Sie sich einstweilen. Ich richte uns ein kräftiges Frühstück her.“
Fünf Minuten später hatte ich mich gewaschen und rasiert. Ich schlüpfte in Jeans und eine Lederjacke und trug meine Habseligkeiten, die ich gestern noch eingepackt hatte, in die Diele.
Den
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