0781 - Die Hexe von Hilversum
Stattdessen trat sie auf Jane zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Schwester, ich möchte, dass alles so weiterläuft wie bisher. Verstehst du?«
Jane nickte. »Ja, nein, ich…« Sie war völlig durcheinander.
»Hör mir zu. Ich will, dass du in meiner Sendung auftrittst. Du wirst neben mir sitzen, ich werde dich als meinen Gast vorstellen, denn es ist wichtig, dass alles normal abläuft. Zwei meiner Feinde sind vernichtet worden, aber es gibt noch jemanden, der ebenfalls sterben muss. Ich will ihn schocken, denn er rechnet damit, dass seine Bluthunde es geschafft haben. Er soll merken, dass er sich geirrt hat, Jane.«
»Ist es de Rijber?«
»Jan de Rijber.«
Jane hatte sich entspannt. Die große Gefahr war vorläufig an ihr vorbeigegangen. Linda Vermool brachte ihr tatsächlich so etwas wie Sympathie oder Neutralität entgegen, und darauf konnte sie bauen, auch wenn es ihr schwer fiel.
»Soll ich…?«
Linda ließ Jane nicht ausreden. »Du sollst gar nichts. Du sollst dich nur normal bewegen. Du wirst dich melden bei einem gewissen Wim Kieft. Du sollst dich schminken lassen, und du wirst kein Wort über das verlieren, was sich hier ereignet hat. Wir haben noch knapp zwei Stunden Zeit bis zum Sendebeginn.«
»Ja, wie du willst.« Jane war ziemlich durcheinander. Sie ließ ihren Blick an der Gestalt der Hexe entlanggleiten. Die Spuren der Kugel und des Messers waren immer noch zu sehen, doch das schien Linda nicht zu stören. Sie wusste auch, mit welchen Gedanken sich Jane beschäftigte, lächelte und erklärte, dass zu Beginn der Sendung nichts mehr zu erkennen sein würde. »Da bin ich wieder okay.«
»Und ich?«
»Geh jetzt.«
»Zu – zu – diesem Kieft?« Es war schwer für Jane, zu begreifen, dass Linda sie laufen ließ. Die Hexe musste tatsächlich Vertrauen zu ihr gefasst haben.
»Melde dich und sage nichts, Schwester.« Sie strich mit ihren kalten Händen über Janes Wangen und verursachte bei ihr eine Gänsehaut.
Bisher hatte die Detektivin geglaubt, der Mittelpunkt eines bösen Albtraums zu sein. Jetzt erhielt sie die Gelegenheit, ihn hinter sich zu lassen. Rasch drehte sie sich um und ging zur Tür.
Niemand hielt sie auf. Linda Vermool schickte ihr nicht einmal einen Kommentar hinterher. Sie ließ die »Schwester« gehen, und Jane öffnete die Tür, um auf den Flur hinauszutreten.
Sie atmete auf, als sie zwischen den kahlen Wänden stand. Es war die normale Welt, die Vorhölle hatte sie verlassen, und beinahe hätte sie gelacht. Noch immer innerlich aufgewühlt, ging sie die ersten Schritte. Sie wollte den Weg zurück, den sie gekommen war, und nach einem Wim Kieft fragen. Jane hatte sich vorgenommen, in die Sendung zu gehen. Erschien sie nicht, würde die Hexe dafür sorgen, dass sie keine ruhige Minute mehr hatte. Vielleicht würde sie auch durchdrehen und sich andere Opfer holen, möglich war alles.
Jane dachte auch darüber nach, als sie sich nach einigen Schritten etwas befreiter fühlte, wie sie Linda Vermool stoppen könnte. Leicht würde es nicht werden, sie war einfach zu schwach, die Hexe war ihr, was die magischen Kräfte anging, bei weitem überlegen. Da musste sie sich schon etwas einfallen lassen.
Bisher war Jane jeder Situation gewachsen gewesen, in diesem Fall allerdings fühlte sie sich ziemlich allein. Sie hatte die böse Vorahnung, dass es so einfach nicht werden würde. Über ihr schwebte eine Drohung, Linda hatte sie ausgesprochen, und Jane glaubte nicht daran, dass sie diese auch nur um einen Deut zurücknehmen würde. Dafür kannte sie sich mit Hexen zu gut aus.
Jemand fiel ihr auf.
Es war eine Gestalt, die ebenfalls in dem ansonsten leeren Flur stand. Noch ziemlich weit hinten, doch Jane konnte bereits erkennen, wie angespannt dieser Mann – es war ein Mann – war.
Gehörte er auch zu de Rijber? War es vielleicht Jan de Rijber selbst? Sie lief schneller, und plötzlich hatte sie das Gefühl, von einem gewaltigen Wirbel erfasst zu werden.
Sie erkannte den Mann, und der Mann erkannte sie.
»Jane!«, rief er.
»John, mein Gott…«
***
Jane Collins fiel mir in die Arme, und ich spürte, dass sie am ganzen Körper zitterte, was darauf schließen ließ, dass sie einiges durchgemacht hatte. Ich wollte sie danach fragen, aber Jane löste sich plötzlich von mir und zerrte mich weiter. »Komm hier weg, John. Wir müssen von hier verschwinden.«
Ich kannte ihre Stimme, ich kannte ihre Reaktionen. Wenn sie so drängte, dann eilte es wirklich, und ich
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