0781 - Die Hexe von Hilversum
hütete mich, auch nur eine Frage zu stellen.
Jane wusste in diesem Bau ebenso wenig Bescheid wie ich. Wir beeilten uns nur, den leeren Garderobengang hinter uns zu lassen. Als wir die Halle erreichten, achtete ich darauf, keinem in die Arme zu laufen, der uns hätte Fragen stellen können.
Hinter einer mächtigen Kulisse, die durch schräge Holzpfosten abgestützt wurde, fanden wir einen Platz, an dem wir uns vor neugierigen Blicken verbergen konnten. Da Jane mir einiges zu erzählen hatte, wartete ich zunächst ab, bis sie wieder normal atmete. Mit dem Rücken lehnte sie sich dabei gegen einen der schrägen Pfosten.
Den Kopf hatte sie erschöpft in den Nacken gelegt. Sie war blass, nur auf der Stirn zeichneten sich rote Flecken ab.
»Bitte, Jane…«
»Okay, John, okay, lass mich. Ich werde reden. Ich werde dich nicht einmal danach fragen, wieso du plötzlich hier auftauchst. Ich bin nur wahnsinnig froh, dass du hier bist. Lass dir gesagt sein, dass ich vor einigen Minuten Zeuge zweier Morde geworden bin.«
Ich schwieg. Zwar wurde mir nicht gerade der Boden unter den Füßen weggezogen, aber viel fehlte nicht daran. Die Eröffnung schockte mich ziemlich und ließ mich gleichzeitig nachdenklich werden. »Zwei Morde?«, fragte ich müde. »Und du konntest noch fliehen?«
»Nein, ich wurde weggeschickt.«
»Von dem Mörder?«
»Einer Mörderin, die mich als Hexenschwester ansieht. Von Linda Vermool, John.«
Ich gab eine Antwort, die mit diesem Thema eigentlich nichts zu tun hatte. »Es ist also wahr. Lady Sarah hat gemeint, dass du in eine Falle gelockt werden sollst und…«
»Keine Falle.« Sie umklammerte meinen Arm. »Lass mich erzählen, was ich weiß.«
»Ist gut.«
Jane behielt den Griff bei, während sie redete. Es sprudelte nur so aus ihr heraus. Die Worte überschlugen sich beinahe, ich hörte zu und konnte nur staunen.
Dabei erfuhr ich von den schlimmen Morden, aber ich hörte mir auch die Vorgeschichte an, und mir war danach klar, welch eine Macht die Hexe von Hilversum mittlerweile besaß.
Jane Collins fasste zusammen: »Sie ist kein Mensch mehr, auch wenn sie so aussieht. Der Teufel hat sie unter seine Fittiche genommen. Er sorgte dafür, dass sie den Bungee-Sprung überlebte. Sie hätte als zerschmetterter Leichnam auf dem Beton liegen müssen, aber das geschah nicht. Stattdessen erhob sie sich noch mächtiger als zuvor. Diese eine Mutprobe hat ihr noch gefehlt, um sich endgültig Asmodis hingeben zu können.«
»Das denke ich auch«, murmelte ich. Sehr nachdenklich blickte ich Jane an. »Du willst doch nicht etwa an der Sendung teilnehmen?«
»Doch!«
»Bist du lebensmüde?«
»Ich wäre es, wenn ich nicht ginge. Dann würde sie mich fertig machen. Dann würde sie keine Rücksicht mehr nehmen. Ich muss in der Show an ihrer Seite sitzen. Ich werde es tun, darauf kannst du dich verlassen.«
»Was hat sie vor?«
Jane senkte den Blick. Leise und sehr nachdenklich sprach sie weiter. »Es gibt da noch diesen Jan de Rijber, einen der größten Gangster des Landes, wenn nicht der größte überhaupt. Seinen Bruder hat sie schon in den Tod geschickt. Jetzt steht er noch auf ihrer Liste. Er wird sich auch im Zuschauerraum befinden.«
»Wie sieht er aus?«
Jane hob die Schultern. »Wenn ich das wüßte, wäre mir wohler. Ich kann es dir nicht sagen, aber ich denke, dass wir es im Laufe der Sendung herausfinden werden. Jedenfalls werde ich mich so verhalten, als wäre nichts geschehen. Ich gehe in die Maske, ich lasse mich schminken und nehme dann vor der Kamera Platz. Dabei hoffe ich, dass du im Zuschauerraum sitzt, wenn möglich in einer der ersten Reihen.«
»Das werde ich versuchen. Hereingekommen bin ich ja. Ich weiß schon, wo das Publikum Einlaß findet, aber es wird nicht so einfach sein. Sie werden Karten ausgegeben haben. Ich müsste mich wie ein Dieb zwischen die Zuschauer schleichen.«
»Das schaffst du schon.«
Ich sah Jane an, dass die Zeit drängte, legte ihr meine Hände auf die Schultern und holte tief Luft. Im Voraus schüttelte sie bereits den Kopf. »Nein John, ich weiß genau, was du mir jetzt sagen willst. Behalte es bitte für dich, denn du kannst mich nicht umstimmen. Ich muss meinen Weg gehen, nimm du den deinen, und ich bin sicher, dass wir uns irgendwann treffen werden. Linda Vermool muss gestoppt werden.«
»Das denke ich auch.«
»Dann ist es ja okay.«
Wir blieben nicht mehr allein. Stimmen erreichten uns, dann sahen wir zwei Männer im grauen Kittel, die
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