0784 - Avalons Geistergräber
Er brachte sie zusammen, sie verschmolzen und das Loch konzentrierte sich einzig und allein auf den von ihm gezeichneten Schirm.
Dort entstand ein Bild.
Suko und dem Abbé musste es vorkommen wie eine Übertragung aus einer anderen Welt. Ein Film aus ihrer Welt, ihrer Zeit, doch mit Akteuren versehen, die sie kannten.
Bill Conolly, John Sinclair – und Nadine Berger!
***
Wir sahen Nadine und taten nichts. Wir waren auch sprachlos geworden, obwohl wir ja damit hatten rechnen müssen, dass Nadine erscheinen würde. Wir hatten es sogar gehofft, doch ihr plötzliches Auftauchen hatte uns die Sprache verschlagen.
Ich warf einen Blick nach rechts, wo ein sehr bleicher Bill Conolly stand. Er bewegte seinen Mund, ohne ein Wort durch die Lippen zu quetschen. Ich sah ihn nur schlucken und hätte gern gewusst, was jetzt durch seinen Kopf ging.
Wie lange hatte Nadine doch als Wölfin bei den Conollys gelebt.
Sie waren sehr vertraut miteinander geworden, besonders sein Sohn Johnny. Er hatte die lange Beziehung zu Nadine aufgebaut und trauerte noch immer um sie.
Wir aber standen vor ihr.
Hatte sie sich verändert? War sie älter geworden? Nein, wenigstens nicht auf den ersten Blick. Noch immer schimmerte das Haar in einer rötlichen Farbe, noch immer wuchs es lang und wehte im warmen Wind. Die leicht schräg gestellten Augen, der lächelnde Mund, die glatte Haut und die Kleidung, die in dieser Welt einfach zu ihr passte, denn sie trug ein langes Kleid von tiefblauer Farbe, beinahe schon ein Gewand.
Bill Conolly bewegte sich neben mir. Endlich traute er sich, einen kleinen Schritt vorzugehen. Wahrscheinlich hatte er vergessen, wo er sich befand, und er sprach eine Bitte aus. »Darf ich dich berühren, Nadine? Darf ich es?«
»Warum nicht?«
»Ich kann es nicht fassen. Ich muss einfach herausfinden, ob du echt oder nur eine geisterhafte Projektion bist.«
Sie antwortete durch eine Geste, indem sie ihm ihre rechte Hand entgegenstreckte. Bill schaute für einen Moment auf den Handteller, nickte sich dann selbst zu und hatte somit die Hemmschwelle überwunden. Auch er streckte ihr seinen Arm entgegen und legte dann seine Hand in die ihre.
Nadine krümmte die Finger. Sie begrüßte Bill, der scharf atmete und dabei gleichzeitig schluckte. Dieses Wiedersehen hatte ihn überwältigt, und auch Männer dürfen Gefühle zeigen, was nichts mit Schwäche zu tun hat, sondern mit Stärke.
Im nächsten Augenblick lagen sich beide in den Armen. Ich stand etwas betreten daneben, aber ich gönnte es Bill. Ich sah, dass seine Augen feucht geworden waren, und ich hörte auch, wie er flüsternd davon berichtete, dass er sich freute, sie endlich wieder gefunden zu haben. Er war so froh, dass es ihr gut ging, und Nadine gab ihm eine Antwort, die auch mich aufhorchen ließ.
»Ich wollte ja, dass ihr hier erscheint, denn es bahnen sich doch große Dinge an.«
»Was gibt es Größeres, als dich zu sehen?«
»Das sage nicht, Bill. Ich weiß, dass es euch nicht leicht gefallen ist, zu kommen, und ihr werdet noch eine schwere Prüfung erleben. Es kommt viel auf euch an, und ich werde euch nicht helfen können, denn in diesem Land habe ich nicht das Sagen.«
Bill hatte nicht zuhören wollen, aber ich hielt meine Gefühle im Zaum, auch dann, als Nadine mich später ebenso begrüßte wie Bill.
Ich fragte sie danach, ob sie glücklich war, und sie nickte mir zu. In ihrem Gesicht stand die Ehrlichkeit wie festgeschrieben, als sie mir erklärte, wie gut sie es getroffen hatte und ihr anderes Leben überhaupt nicht vermisste. Ihre Aufgabe lag hier, das für sie nicht so weit von der normalen Welt entfernt lag, denn sie bekam durchaus mit, was sich dort tat, speziell bei uns.
»Ich weiß sehr viel. Hin und wieder überkommt mich die Sehnsucht, besonders nach deinem Sohn, Bill. Auch von hier achte ich auf ihn, und manchmal kann ich sogar zu euch Kontakt aufnehmen, auch wenn es euch beim letzten Mal erschreckt hat.«
»Das stimmt. Wir sahen dein Gesicht über dem meiner Frau.« Bill wischte das letzte Tränenwasser aus den Augenwinkeln und stoppte somit das verräterische Funkeln.
»Dann wolltest du also, dass wir hier nach Avalon kamen, um dich zu treffen!«, stellte ich fest.
»Das ist richtig.«
»Wir mussten sowieso in dein Reich, Nadine, denn es geht um Suko und den Abbé Bloch.«
Sie strich ihr Haar zurück. »Ja, John, das weiß ich genau.«
Meine Augen blitzten auf. »Dann kannst du uns auch sagen, wo wir die beiden finden.«
Sie
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