0785 - Der Kinderschreck
noch einen Teil des Kopfes wärmte.
So gerüstet wollte ich der Kälte trotzen. Und es war kalt geworden, das merkte ich schon beim Hinausgehen. Der Atem dampfte vor meinen Lippen. Der Himmel hatte seine Klarheit verloren. Er lag jetzt wie ein graues Tuch über dieser hügeligen Landschaft, die sich vor meinen Augen ausbreitete.
Das Band schützte meine Ohren, die Handschuhe die Hände. Den Schal zurrte ich fester, der gelbe Pullover war auch dick, und so stiefelte ich mit offener Lederjacke los. Ich hatte mir kurz vor der Abfahrt noch halbhohe Stiefel besorgt. Wenn ich damit auf dem Weg bliebe, gab es keine Probleme.
Autoreifen hatten darauf ihre Muster hinterlassen. Nicht weit entfernt lieferten sich Kinder eine Schneeballschlacht. Aus dem Tal herauf erklang eine Glocke. Hier oben jedoch, auf der Höhe, da kam ich mir vor, als würde ich auf einer Insel schweben, weit weg von allem Irdischen, hineingestellt in den kalten Winter.
Lichtergirlanden hingen vor den Häusern in den Tannenbäumen.
Manche schimmerten in bunten Farben. Andere wiederum waren noch nicht eingeschaltet.
Ich ließ die Feriensiedlung hinter mir zurück, überquerte die ersten Loipenspuren und spürte dann, dass ich einen leicht anstrengenden Hang hochging, was vom Fenster aus kaum zu sehen gewesen war. Mein Ziel war und blieb der Wald.
Ich war allein, schaute auf den Schnee und lauschte den knirschenden Geräuschen, die meine Tritte auf der weißen Fläche hinterließen.
Die Einsamkeit tat mir gut. Ich kam mit ihr zurecht, und ich konnte meinen Gedanken nachhängen, die sich nicht um den Urlaub drehten, sondern sich mit der Zeit danach beschäftigten.
Ich war den Dunklen Gral los, ohne allerdings damit zu rechnen, dass die Sache damit erledigt war. Da würde noch etwas hinzukommen, dessen war ich mir sicher. Irgendwann geriet ich wieder an Avalon, das gehörte einfach dazu. Und ich würde auch auf Nadine Berger treffen und war gespannt, wie wir uns dann verhielten.
Als ich nach vorn schaute, sah ich die dünnen, relativ langen Schatten. Sie malten sich auf dem Schnee ab und kamen mir vor, als wollten sie nach mir greifen.
Ich blieb stehen, stellte fest, dass der Waldrand nicht mehr weit entfernt lag. Die Langläufer fuhren weiter rechts von mir, dort war der Wald lichter, mir jedoch kam er vor wie eine sperrige Mauer unterschiedlicher Höhe.
Da wuchsen die Tannen und Fichten wie wuchtige Riesen mit ausgebreiteten Armen, überragt von Laubbäumen, die allerdings in der Minderzahl waren. Ihre kahlen Kronen griffen wie dunkle Skelettarme nach dem Himmel. An einigen Stellen hatte sich der Schnee gehalten. Er klebte wie festgeleimt auf dem Gehölz und hatte seine Schichten auf den Zweigen der Tannen hinterlassen.
Ich runzelte die Stirn.
Warum gefiel mir dieser Wald nicht, obwohl er so normal aussah?
Doch es war etwas vorhanden, das mich störte. Ich konnte den Grund nicht nennen, wollte von einer Ahnung sprechen und hatte einfach das Gefühl, als wäre mir der Wald feindlich gesonnen.
Ein unhörbarer Befehl erreichte mich.
Bis hierher und nicht weiter!
Unsinn. Ich schüttelte den Kopf. Ein leichter Windstoß wehte Schneekristalle von den Tannenzweigen und mir ins Gesicht. Ich drehte den Kopf weg und schaute zurück.
Jetzt lag das Halbrund der Feriensiedlung vor mir. Gemütliche Häuser, zwar alle gleich aussehend und trotzdem nicht so siedlungsmäßig wirkend, weil zwischen den einzelnen Häusern Tannen wuchsen und sich der Eindruck ergab, dass das Gebiet in zahlreiche Parzellen aufgeteilt worden war.
Die Menschen wirkten klein und kamen mir irgendwie schutzbedürftig vor.
Ich wandte mich wieder dem Wald zu.
Er hatte sich nicht verändert, mein Eindruck war der gleiche geblieben. Er gefiel mir nicht, aber er zog mich auf der anderen Seite auch an. Ich wollte einen Blick hineinwerfen, was an dieser Stelle nicht klappte, weil das Unterholz zu dicht wuchs. Es machte den Eindruck eines verfilzten Walls, der nur mit Werkzeug zu durchbrechen war.
Ich ging weiter.
Nach wenigen Metern schon änderte sich mein Blickwinkel. Ich konnte über die Siedlung hinweg in das Tal schauen und sah dort die kleinen Häuser des Ortes und glaubte auch, die schimmernden Lichter des Weihnachtsmarktes zu sehen. Er gruppierte sich um die Kirche herum.
Etwas knackte hinter mir.
Ich drehte mich um.
Nichts war zu sehen, doch ich ging davon aus, das Geräusch gehört zu haben.
Im Wald vielleicht?
Ein Tier sah ich nicht, auch keinen Menschen, aber eine
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