0788 - Schreckensnacht der weißen Nonne
verflogen war und der Neugierde Platz geschaffen hatte. Hinzu kam, dass er sich für seine Kirche verantwortlich fühlte. Er wollte auf keinen Fall, dass ihr etwas geschah, und deshalb musste er sie auch verteidigen.
Es war in seiner Lage schon mutig von ihm, sich dieser Gestalt noch mehr zu nähern, wobei er allerdings dicht an der Hauswand blieb und plötzlich stoppte, als die Äbtissin ihrem Pferd die Hacken in die Weichen rammte.
Das Tier gehorchte augenblicklich.
Es sprengte vor. Sein Ziel war das Portal der Kirche. Es sah so aus, als sollte es von den Hufen des Tieres zerstört werden, um freie Bahn zu haben, doch das geschah nicht.
Die Äbtissin reagierte. Sie schwang ihren rechten Arm, und der helle Lichtkreis bewegte sich ebenfalls.
Er wuchtete nach vorn, er traf das dicke hölzerne Portal – und, der Pfarrer glaubte seinen Augen nicht zu trauen, er zerstörte das dicke Holz der Tür.
Funken sprühten auf, als der Widerstand brach. Die Tür krachte zusammen, aus dem Holz schossen blasse Flammen hervor, als die Tür nach vorn kippte, um mit einem lauten Aufprall am Boden zu landen, da wusste Peters, dass er verloren hatte.
Jetzt war der Weg für die Äbtissin frei.
Stolz wie eine Siegerin ritt sie in das Gotteshaus hinein…
***
Stille – Totenstille breitete sich auf dem Hof des Klosters aus, wo wir den Rover abgestellt und ihn verlassen hatten. Die wuchtigen Mauern warfen düstere Schatten in den Hof, das Tor war offen gewesen, wir hatten normal hindurchfahren können.
Wir sahen kein Licht. Nicht ein Strahl, nicht ein Flackern drang durch die zahlreichen Fenster des düsteren Haupthauses, dem noch ein Nebenbau angegliedert war.
Die Schritte der jungen Frau knirschten auf dem Kies, als sie zu mir kam. »Ich verstehe das nicht«, sagte sie leise. »Ich komme damit nicht zurecht, John.«
»So war es also noch nie?«
»Richtig, so finster ist es noch nie hier gewesen. So dunkel und auch so anders.«
»Wie meinst du das?«
Sie lachte leise. »Verlassen, John, verstehst du? Es ist so schrecklich verlassen. Ich habe, als wir durch das Tor fuhren, sofort eine nie gekannte Depression verspürt, als wäre alles anders geworden und all das vergangen, an das ich einmal geglaubt habe. Es ist furchtbar für mich«, flüsterte sie.
Ich konnte sie verstehen. Tröstend legte ich einen Arm um ihre Schulter. Ich lauschte dem leisen Weinen nach, dann erkundigte ich mich nach den anderen Nonnen. »Wo sind sie?«
»Keine Ahnung.«
»Schlafen sie?«
»Nein, um diese Zeit noch nicht.«
»Könnten sie in der Kapelle sein?«
»Die Abendmesse ist vorbei.«
Ich nahm die Antwort zur Kenntnis und gestand mir selbst ein, dass dies ziemlich beunruhigend war. Tief in meinem Kopf war ein schrecklicher Verdacht aufgestiegen, doch daran wollte ich zunächst nicht denken, aber ich konnte ihn auch nicht ganz abschütteln.
Wenn ich die Stille mit dem Begriff Totenstille verglich, dann steckte schon dieses Wort darin, eben Tod. War es möglich, dass keine der Nonnen mehr am Leben war und nur mehr die Äbtissin existierte?
Zuzutrauen war es ihr, beim Absturz der Maschine hatte auch niemand Rücksicht genommen.
»Ich kann mich in deine Gedanken hineinversetzen, John«, flüsterte Anina. »Sie sind furchtbar, und ich möchte darum beten, dass du dich damit nicht mehr beschäftigst.«
»Sind sie denn so falsch?«
»Leider nein.«
Ich blieb beim Thema. »Du könntest dir auch vorstellen, dass keine deiner Mitschwestern noch am Leben ist?«
»Hör auf, John, hör auf…«
»Dann lass uns hineingehen.«
Anina atmete tief durch, bevor sie sich streckte. Sie musste sich die Kehle freiräuspern, dann war sie die erste, die auf den Eingang des Klosterbaus zuging.
Alles sah grau aus, auch das Gemäuer des Klosterbaus und ebenfalls die Treppe mit den breiten Stufen, die Anina hochging wie eine müde alte Frau, denn sie hielt den Kopf gesenkt und hatte Mühe, die Beine anzuheben.
Ich folgte ihr ebenfalls relativ langsam. Vor der Tür wartete sie auf mich. Der Wind fuhr in ihr Haar, und sie strich es immer wieder aus dem Gesicht. Die etwas mädchenhaft wirkende Anina war zu einer schmalen, hilfebedürftigen Gestalt geworden, die ihr ganzes Vertrauen in mich setzte.
»Ist die Tür offen?«, fragte ich.
»Das wird sie wohl.«
Da Anina sich nicht traute, probierte ich es. Die Klinke ließ sich etwas schwer nach unten drücken, aber meine Befürchtungen verstärkten sich nicht. Ich konnte die schwere Tür nach innen drücken
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