079 - Die Abenteuerin
durchsuchte er, aber er konnte nichts entdecken. Nur eine lange Stecknadel fand er direkt vor dem Bild, sie war besonders stark, aber sonst war nichts Außergewöhnliches an dem Fund. Andere Anhaltspunkte konnte er nicht gewinnen, obwohl er sich die größte Mühe gab.
Mr. Tresser nahm seinen Verlust gefaßt hin. Erst als in den Zeitungen Artikel darüber erschienen und alle Berichterstatter den großen Wert des Gemäldes hervorhoben, wurde er unruhig, und schließlich setzte er eine Belohnung für die Wiederbeschaffung aus, worüber die Zeitungen gleichfalls berichteten.
Der Diebstahl des berühmten Gemäldes wurde in allen Clubs, in allen Gesellschaftskreisen lebhaft erörtert. Man zerbrach sich den Kopf, wie das Bild überhaupt hatte entwendet werden können, und die jungen Leute, die sich für Amateurdetektive hielten, stürzten sich mit Eifer auf die Aufdeckung dieses sensationellen Verbrechens.
Peter Dawes, der sich die beiden Adressen aus dem Besucherbuch notiert hatte, ging noch am Nachmittag in die Stadt und stellte weitere Nachforschungen an. Aber er entdeckte natürlich, daß weder der alte Kunstkenner noch das junge Mädchen dort wohnten, wo sie angegeben hatten.
Peter berichtete seinem Vorgesetzten, was er erfahren hatte. Er hatte sich auch schon eine ganz bestimmte Theorie darüber gebildet, wie der Diebstahl ausgeführt worden war.
»Der alte Mann kommt natürlich als Täter nicht in Frage. Er war nur ein Helfershelfer und wurde in die Galerie geschickt, um den Argwohn und Verdacht der Angestellten zu erregen, so daß sich die ganze Aufmerksamkeit auf ihn konzentrierte. Mit voller Absicht ärgerte er die Leute mit seinen langen Erklärungen und Erzählungen, damit sie ihn allein ließen. Dann ging er in die Galerie. Er wußte, daß sein langer Mantel den Leuten von vornherein verdächtig erscheinen und daß sie genau auf ihn achten würden. Die beiden hatten einen vorzüglichen Zeitplan ausgearbeitet - gerade, als das Mädchen hereinkam, verließ der Alte den Saal. Besser hätte es überhaupt nicht gemacht werden können.
Das Geld ließ er fallen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wahrscheinlich wurde im selben Augenblick das Bild aus dem Rahmen geschnitten und versteckt. Wie das Mädchen dies allerdings angefangen und wie sie es aus dem Haus gebracht hat, ist ein Rätsel. Alle Angestellten, die ich fragte, sind sich darüber einig, daß sie das große Gemälde unmöglich auf ihrem Körper verbergen konnte. Ich habe Versuche in dieser Hinsicht angestellt und ein Stück Malerleinwand von der betreffenden Größe mit Ölfarbe bestreichen lassen, so daß es dieselbe Schwere und Steife hatte wie das Original. Es ist ganz ausgeschlossen, daß das junge Mädchen das Bild mitgenommen hat.«
»Wer war denn das Mädchen?«
»Niemand anders als die Quadrat-Jane selbst!«
»Das ist doch unmöglich!«
Peter lächelte. »Es ist furchtbar leicht für eine junge Dame, sich noch etwas jünger zu machen. Sie braucht sich nur entsprechend anzuziehen und ihre Frisur zu ändern, dann ist das Schulmädchen schon fertig.«
»Einen Augenblick!« sagte der Chef. »Konnte sie nicht das Bild durchs Fenster nach draußen werfen, so daß jemand es auffing, der vor dem Haus wartete?«
Peter schüttelte den Kopf. »Daran hatte ich zuerst auch gedacht, aber die Fenster waren verschlossen, und die Drahtnetze machen derartige Manipulationen vollkommen unmöglich. Nein, sie hat das Bild tatsächlich unter den Augen der Angestellten gestohlen. Dann kam sie heraus und erklärte unschuldig, daß sie den Romney nicht finden könne. Selbstverständlich waren die Leute bestürzt und eilten Hals über Kopf in den Saal. In den nächsten Minuten hat sich dann natürlich niemand um das Kind gekümmert.«
»Meinen Sie nicht, daß einer der Angestellten in die Sache verwickelt war?«
»Das wäre nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber ich habe mich genau nach dem Vorleben der Angestellten erkundigt, sie haben alle sehr gute Zeugnisse und sind schon lange im Dienst. Es sind durchweg verheiratete, ältere Leute, und gegen keinen liegt etwas vor.«
»Was will sie denn mit dem Gemälde anfangen? Sie kann doch ein so bekanntes Kunstwerk nicht verkaufen?« »Die Absicht hat sie auch gar nicht. Sie ist natürlich nur auf die Belohnung aus, die Mr. Tresser ausgesetzt hat«, entgegnete Peter lächelnd. »Ich muß mich schwer anstrengen, um diese kluge und scharfsinnige Frau zu fassen. Vorläufig sieht es noch nicht so aus, als ob wir
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