0790 - Der Satanskopf
fühle ich mich wie ein Herrscher über die Vergangenheit. Ich weiß ungemein viel, ich kann alles verwerten, es fließt in meine Arbeiten mit ein, und nur durch ihn kriege ich die Informationen. Wie ich dir schon einmal sagte, Lady, wir sind eine Symbiose eingegangen. Bessere Partner als uns findest du nicht mehr auf dieser Welt.«
Was sollte sie da noch sagen? Sie musste es Sarrazin abnehmen, das Gegenteil konnte sie nicht beweisen. Sie ging jetzt davon aus, dass dieser Kopf tatsächlich etwas Besonderes war. Keine normalen Knochen, kein normales Fleisch, sondern ein magischer Computer, der von Sarrazin angezapft worden war.
»Er… er ist ein Mörder!« Lady Sarah presste die Worte hervor.
»Eine blutgierige Bestie.«
Sarrazin lachte. »Hören Sie doch auf, Lady! Er mag es eben nicht, wenn sich ihm jemand in den Weg stellt. Er ist sehr sensibel. Er spürt die Gefahr sofort, und dann will er auch handeln. So hat er es auch bei Coleen Baker getan. Auch deine Kehle wird er zerreißen, und ich werde ihm dabei zuschauen.«
»Damit haben Sie sich Ihr eigenes Grab geschaufelt!«, keuchte die Horror-Oma. »Sie haben sich selbst gefesselt und kommen nicht mehr frei.«
»Ja, kann sein«, gab er zu. »Vielleicht muss ich mein Verhalten und auch mein Leben ändern. Das ist nicht weiter schlimm, ich hatte Zeit genug, um mich darauf vorzubereiten. Es stört mich nicht, wichtig ist nur, dass er und ich zusammenbleiben.«
Es hatte keinen Sinn. Dieser Mann ließ sich nicht überzeugen. Er steckte einfach zu tief in seinen dämonischen Aktivitäten. Er hatte die Besessenheit des Schädels übernommen. Lady Sarah interessierte es trotz ihrer schlechten Lage, welcher Körper einst dazugehört hatte. Da der Schädel sich nicht mehr bewegte, sondern sie nur anstarrte – aus welchen Gründen auch immer – ergriff sie die Gelegenheit beim Schopf.
»Er war doch nicht nur Kopf«, sagte sie. »Zu ihm muss ein Mensch gehört haben.«
»Stimmt.«
»Wer war es?«
Sarrazin lachte glucksend. Sarah hörte heraus, dass er sich auf die Antwort freute. »Ein Fanatiker ist es gewesen. Ähnlich wie ich. Er und ich, wir sind uns so ähnlich, und deshalb fühlte ich mich auch so wohl. Mir kommt es vor, als wäre der Geist seines Körpers in mir wiedergeboren.«
»Glauben Sie daran?«
»Kann sein.«
»Wer also war es?«
»Ein Inquisitor, einer, der die Abtrünnigen, die Ketzer, jagte, aber den Verlockungen des Lebens und der Hölle nicht widerstehen konnte. Er wechselte die Seiten. Von Gott zum Teufel, vom Himmel in die Hölle. Er ließ sich umdrehen, und es dauerte ziemlich lange, bis ihm die hohe Geistlichkeit damals auf die Spur gekommen ist. Aber weshalb erzähle ich dir das? Es ist Vergangenheit. Der Schädel überlebte, und somit auch seine eigentliche Kraft und sein Wissen. Es gibt nur einen Menschen, dem er voll und ganz vertraut, nämlich mir…«
Juri Sarrazin hatte die Worte voller Inbrunst ausgestoßen. Lady Sarah wusste endgültig, dass er voll und ganz hinter ihm stand, und dann hörte sie sein Flüstern, als er den Schädel direkt ansprach.
»Komm her. Hol dir deine Beute! Töte die, die dich töten wollte! Du hast es verdient…«
Der Satanskopf zuckte mit seinem breiten Maul. Die Falten gruben sich noch tiefer und stärker in seine bräunlich schimmernde Rindenhaut hinein. Er hatte keinen Hals. Wo er einmal gewesen war, hingen nur noch Fetzen.
Geräuschlos schwebte er näher.
Lady Sarah verkrampfte innerlich, aber auch nach außen hin fing sie an zu zittern. Das Blut schoss ihr in den Kopf. Der Druck der Arme hatte nicht nachgelassen, und ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt. Sie spürte die Schläge in ihrem Kopf und empfand sie wie den Klang schwerer Glocken.
Sie hätte sich gern geduckt, um diesem Kopf aus dem Weg zu gehen, aber der Mann hinter ihr war eisern. Er ließ ihr keine Chance.
Der Satanskopf gehorchte.
Aus dem Mund drang ein Zischen.
Eine böse Botschaft, die Sarah Goldwyn erschaudern ließ. Es war für sie der Beginn, und in dieser Situation fragte sie sich, wie groß ihre Angst eigentlich war. Fürchtete sie sich vor dem Tod? Sie war relativ alt geworden, hatte einige ihrer Männer überlebt und konnte auf ein erfülltes Leben zurückschauen. Sie hatte sich auch damit abgefunden, dass ihr Leben irgendwann zu Ende sein würde.
Aber hier wollte sie nicht sterben. Vor allen Dingen nicht auf eine so schreckliche Art und Weise. Sie hatte sich immer einen friedlichen Tod vorgestellt, vielleicht sogar
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