0790 - Der Satanskopf
war eine Szene, die mich tief berührte. Es stieg kein Hass in mir hoch, sondern nur eine Abscheu Sarrazin gegenüber.
Er hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Den Kopf hielt er zwischen seinen Handflächen. Er lachte sogar, nur klang dieses Lachen für mich wie an der Grenze zum Wahnsinn.
Ich ging auf ihn zu.
Langsam zwar, aber innerlich und äußerlich bereit, sofort zu handeln. Meine Pistole lag in der rechten Hand, darum aber kümmerte sich Sarrazin nicht. Stattdessen redete er mit mir: »Noch einer, sieh an. Noch jemand, der die alte Frau besuchen will, wie?«
»Das stimmt!«
Er lachte. »Ihr Idioten! Warum geht ihr denn freiwillig in den Tod? Ich habe mir und ihm« – damit meinte er den Schädel – »versprochen, diesen Raum hier zu einem Leichenkeller zu machen. Jetzt bist du gekommen, also wird noch ein Toter dieses Bild erweitern.«
»Das glaube ich kaum.«
Sarrazin legte den Kopf schief. »Was willst du denn machen? Was denn, Sinclair?«
Er kannte mich. »Sie kennen also meinen Namen.«
»Klar, ich kenne ihn. Ich habe Sie doch beobachtet, stand ja genug über Sie in den Gazetten. Ich wusste, dass wir eines Tages aufeinander treffen würden. Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht. Ist aber nicht tragisch, denn ich freue mich.«
»Eine seltsame Freude.«
»Du kannst nicht gewinnen.«
Ich wusste, dass er seine Macht über den Schädel empfing. Dieser Kopf musste etwas Besonderes sein. Um Sarrazin zu stoppen, musste er vernichtet werden.
Wenn in ihm die Kraft des Teufels steckte, würde eine Silberkugel ausreichen.
Für meinen Geschmack fühlte sich Sarrazin zu sicher. Und er hielt mir den Kopf so entgegen, als wollte er im nächsten Augenblick auf mich zukommen, um mir den Schädel zu übergeben.
Sehr günstig war das.
Ich hob die Beretta ein wenig an. Als Sarrazin wieder den Mund öffnete und gleichzeitig den Schädel anhob, um ihn selbst vor sein Gesicht zu pressen, da schoss ich.
Es war die letzte Chance gewesen, um den verdammten Satanskopf zu treffen.
Juri Sarrazin zuckte nicht einmal beim Klang des Schusses zusammen. Er staunte nur, wie die Kugel in den Kopf einschlug, im nächsten Moment zeterte er wie eine Kind, dem die Spielsachen weggenommen worden waren, und trotzdem ließ er von seinem Vorhaben nicht ab, denn er presste ihn gegen sein Gesicht. Oder stülpte er ihn über seinen Kopf? So genau konnte ich das nicht erkennen. Was er auch getan hatte, es war nicht gut für ihn, denn weder der Satanskopf in seinem Innern noch die Silberkugel wurde ihrer Kraft beraubt.
Er verwandelte sich, und was immer auch in ihm vorgegangen war, er wandte sich gegen Sarrazin.
Seine Schreie klangen dumpf, denn sie wurden von dem Kopf gefiltert. Er hatte ihn losgelassen, trotzdem war dieses maskenartige Gebilde nicht zu Boden gefallen, und es zuckte vor allen Dingen dort, wo sich die Zähne befanden, und diese Kraft trieb Sarrazin zurück.
Er taumelte aus dem schwachen Lichtschein weg. Mit dem Rücken prallte er gegen die Kellerwand, und ich wollte vorgehen, um zu sehen, was mit ihm geschah.
Das brauchte ich nicht.
Sein Kopf und auch der Satansschädel glühten gleichzeitig auf, wobei sich die Maske verflüssigte und ich ein Knistern hörte, als würde Seidenpapier rascheln.
Nein, es war etwas anderes. Da bildeten sich Kristalle, deshalb auch diese schabenden Geräusche. Der Satanskopf und der normale Kopf schmolzen zusammen. Die Schreie des Juri Sarrazin waren kaum mehr zu hören. Er hatte sich hart mit dem Rücken gegen die Kellerwand gepresst, und seine Handflächen schlugen in einem wahren Wirbel immer wieder klatschend gegen den Beton.
Und dann sah ich noch etwas.
Etwa in Höhe seines Kinns entstand ein dunkler Quell, der zu einem breiten Streifen wurde. Er fand seinen Weg am Hals entlang, bevor das Blut von der Kleidung aufgesaugt wurde.
Als ich Sarrazin erreichte und ihn mit meiner kleinen Bleistiftleuchte anstrahlte, war er längst zusammengesunken. Als Bündel lag er vor meinen Füßen.
Hatte er einen Kopf?
Ja, aber man konnte ihn nicht mehr mit gutem Gewissen als einen solchen bezeichnen. Der Satansschädel und sein Kopf waren praktisch zusammengewachsen und miteinander verschmolzen. Das eine Leben hatte das andere ausgelöscht. Beide Kräfte hatten sich auf eine gewisse Weise neutralisiert.
Ich fühlte nach Herz- und Pulsschlag.
Da war nichts mehr. Juri Sarrazin lebte nicht mehr. Er war von demjenigen umgebracht worden, den er jahrelang verehrt hatte wie einen
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