0793 - Als der Engel Trauer trug
erreichen, und die Gedanken veränderten sich wieder, als er daran dachte, dass auch die geisterhafte Frau diesen Weg genommen hatte.
Lag deren Ziel in Coyne?
Er wusste es nicht, noch war die Entfernung zu groß, und es konnte durchaus etwas dazwischen liegen.
Den Ort selbst sah er nicht. Normalerweise hätte er zumindest einen Kirchturm erkennen können, aber auch der zeigte sich nicht.
Alles verschwamm in der grauen Nebelbrühe, und zum ersten Mal stellte sich Ashley die Frage, ob es richtig gewesen war, was er getan hatte. War es nicht besser, wenn er wieder zurück zu seinem Wagen lief und den Rest der Strecke fuhr?
Es mochte besser sein, aber er ging weiter. Da spürte er einfach den Motor in sich, der ihn vorantrieb. Spannung und auch Neugierde vereinigten sich. Zudem kam er sich wie ein Geisterjäger vor, dem es vergönnt war, ein großes Geheimnis zu lüften, das weit über das menschliche Denken hinausging.
Deshalb lief er auch weiter.
Der Acker war von einer Weide oder Wiese abgelöst worden. Er lief direkt auf eine Grenze zu. Innerhalb der Nebelfahnen entdeckte er einen Zaun und wusste schon jetzt, dass er darüber hinwegklettern würde. Jenseits des Zaunes fand er nicht nur eine schmale Straße, sondern auch winterliches Strauchwerk, das ihn deckte.
Er ging die schmale Straße weiter, deren Asphalt an gewissen Stellen glatt geworden war. Sie führte leicht bergauf und bewegte sich dann auf eine Rechtskurve zu.
Pete nahm sich vor, in diese Kurve hineinzugehen, um zu sehen, was dahinter lag. Wenn er nichts entdeckte, was auf ein Ziel dieser Frau hinwies, würde er wieder zurückgehen.
In der Kurve passierte er eine Böschung. Sie lag wie ein breiter Schatten an der rechten Seite. Als er wieder die normale Gerade erreicht hatte, verschwand die Böschung, sein Blick wurde relativ frei, und er sah etwas, das er nicht glauben konnte.
Rechts von ihm breitete sich ein Gelände aus, zu dem ein schmaler Weg hinführte. Er sah auch, dass er dem Ort schon sehr nahe gekommen war, doch dieses Bild ließ die Gänsehaut auf seinem Rücken nicht entstehen. Es war die Umgebung an seiner rechten Seite, denn dort lag, etwas muldenartig eingebettet, ein Friedhof.
***
Es gibt wohl Augenblicke, wo sich ein Mensch zeitlos fühlen kann, als hätte er abgehoben. Pete Ashley erging es so. Er stand da, er schaute auf den Friedhof mit seinem breiten Gräberfeld, und er fühlte sich auf einmal zeitlos.
Schwebte er weg?
Das sicherlich nicht. Er stand mit beiden Beinen auf dem Boden, aber dieses Bild kam ihm doch zu schaurig und unheimlich vor, als dass er es so ohne weiteres akzeptiert hätte. Und er brachte es natürlich in einen Zusammenhang mit dem Erscheinen der geisterhaften Frau.
Wenn ein Gespenst überhaupt so etwas wie ein Ziel haben konnte, dann war es nur ein Friedhof, denn da passte beides zusammen.
Zum einen eine unheimliche Erscheinung und zum anderen ein unheimlicher Ort, so wie dieser eben.
Er sah den Friedhof als ein blasses, schauriges Bild, über den Nebelschwaden wehten, als wollten sie die alten Grabstätten gnädig verdecken. Nichts rührte sich dort, nur die Nebelfahnen wehten und fanden ihren Weg zwischen den Gräbern.
Die Geisterfrau sah er nicht.
Und doch glaubte er fest daran, sie auf diesem Gelände entdecken zu können. Es kostete ihn nur eine Überwindung, den ersten Schritt zu machen, denn tief in seinem Innern fürchtete er sich doch vor einer schrecklichen Entdeckung.
Allerdings hatte ihm die Unheimliche auch nichts getan, als sie in seinem Wagen saß. Darauf vertraute er, als er mit leicht zögernden Schritten dem schmalen Eingangstor des Friedhofs entgegenging. Es war nicht verschlossen. Ihm kam der Gedanke, dass man ihn dort erwartete. Zunächst als Lebenden, um ihn als Toten zurückzulassen.
Ein furchtbarer Gedanke, den er sehr schnell wieder aus seiner Vorstellung vertrieb. Trotzdem blieb bei ihm das Gefühl, angelockt zu werden. Da war jemand, der etwas von ihm wollte. Auf dem Friedhof lauerte eine unerklärliche Kraft, die möglicherweise aus den Gräbern strömte und auch mit der Geisterfrau zu tun hatte. Er war so mit den eigenen Gedanken beschäftigt gewesen, dass ihm kaum aufgefallen war, wie nahe die Gräber schon waren. Er fand sich zwischen den ersten Grabsteinen wieder.
Betreten schaute sich Pete um. Der Nebel war überall. Dünne Schleier zogen lautlos über den alten Friedhof, umkreisten die mehr oder minder alten Grabsteine und hielten sie umfangen wie geliebte
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