0793 - Als der Engel Trauer trug
Wesen.
Man hatte sich in dieser Gegend noch Mühe mit einem Friedhof gegeben. Hier wirkte jedes Grab, mochte es auch noch klein sein, individuell.
Ashley sah die unterschiedlichsten Steine und Figuren. Manche Grabsteine lagen flach auf der Erde, andere wiederum standen als schlichte Rechtecke in gärtnerisch liebevoll gestalteter Umgebung.
Wieder andere Steine bildeten rätselhafte Figuren ohne Ecken und Kanten.
Als er weiterging und in einen sehr schmalen Weg einbog, sah er wieder andere Gräber.
Diese hier mussten älter sein, und früher hatten sich die Hinterbliebenen noch etwas für ihre Verstorbenen einfallen lassen, denn diese auch größeren Gräber waren durch Figuren geschmückt, und so mancher Engel fiel dem einsamen Betrachter auf.
Es gab sie in den unterschiedlichsten Größen und Arten. Manche standen aufrecht und einfach nur da, den Blick in die Ferne gerichtet, als wollten sie ins Reich der Toten schauen.
Andere hielten die Köpfe gesenkt und blickten auf die Gräber.
Wieder andere knieten oder standen als kleine Figuren auf den Kanten der Grabsteine.
Es gab auch Engel, die ihre Arme ausgebreitet hatten und das Sinnbild eines Kreuzes darstellten. Die Gesichter konnte Pete nicht genau erkennen, sie verschwanden stets in der Dunkelheit oder hinter den Schwaden.
Es war für ihn schon unheimlich, über diesen menschenleeren Friedhof zu gehen und nur auf die Geräusche zu achten, die er beim Gehen verursachte.
Jeder Tritt konnte da zur Tortur werden, jedes Knirschen schreckte ihn auf, und jedes Schleifen seiner Sohlen ließ ihn leicht zusammenzucken.
Er wusste selbst nicht, wohin ihn der Weg führte, aber er ging weiter und bewegte sich dabei, ohne es bewusst zu merken, auf die dunkelste Stelle des Friedhofs zu.
Ihm fiel am Rande auf, dass er keine Bäume sah. Dieser Totenacker lag frei, er war Wind und Wetter ebenso ausgesetzt wie seine Besucher. Aus dem Nebel erschien plötzlich ein Schatten. Zwei Schritte später wusste er, dass er vor einer Hecke stand.
Sie verwehrte ihm den weiteren Weg. Pete schüttelte den Kopf. Er wischte über seine Stirn, als könnte er auf diese Weise die Gedanken wieder ordnen, die ihn verlassen hatten. Warum war er gerade hier an dieser Stelle stehen geblieben? Hing es nur mit der Hecke zusammen, die ihn am Weitergehen hinderte?
Nein, das hatte einen anderen Grund.
Als wäre ihm ein Befehl gegeben worden, so drehte er den Kopf nach rechts. Sehr langsam, wie jemand, der sich nicht richtig traut und dabei nichts falsch machen will.
Er sah den Schatten!
Diesmal war es ein besonderer Grabschmuck.
Noch trennten ihn mehrere Yards vom Ziel. Hinzu kam der fließende Nebel, und doch wusste er mit Sicherheit, dass er dicht vor seinem eigentlichen Ziel stand, zu dem ihn eine nicht erklärbare Kraft hingeführt hatte.
Was war dort?
Pete Ashley überlegte. Trotz der Kälte war er ins Schwitzen geraten. Er zwinkerte einige Male mit den Augen, wischte sich dann den Schweiß aus dem Gesicht und bewegte sich auf das vor ihm liegende Grab zu.
Nicht nur der Stein war größer als die übrigen Steine, auch das Grab fiel aus der Reihe. Es sah sehr flach aus und gleichzeitig wie aufgewühlt, als wäre der im Grab Liegende wieder aus der feuchten Erde an die Oberfläche gestiegen.
Pete atmete schnaufend. Er hatte die Geisterfrau erlebt und glaubte jetzt, dass alles möglich war. Selbst Tote konnten da ihre Gräber verlassen.
Er ging noch näher heran, traute sich allerdings nicht, einen Fuß auf das Grab zu setzen, sondern blieb dicht an seinem Rand stehen.
Es reichte aus, um mehr erkennen zu können.
Er sah den Stein.
Pete wunderte sich zunächst darüber, dann aber verwandelte sich sein Gefühl in ein großes Staunen, als er das Motiv erkannte, das dieser Grabstein zeigte.
Zunächst einmal sah er aus wie eine große Truhe mit einer viereckigen Oberfläche, die über die Ränder hinweg vorstand. Doch auf der Truhe saß eine Figur.
Auch ein Engel?
Er musste schon genauer hinschauen, um ihn sehen zu können, denn dieser Engel hatte mit denen die er kannte, kaum etwas gemein. Er saß auf der Truhe, und seine Beine baumelten über den Rand hinweg, ohne allerdings mit den Füßen den Boden zu berühren. Die Arme hatte er nicht nur in die Höhe gehoben, er hatte sie sogar vor seinem Gesicht, als wollte er das Elend der Welt nicht mehr sehen. Dieser Engel hatte sich von allem abgewandt.
Warum?
Noch etwas war anders. Auch bei den anderen Engeln hatte er Flügel gesehen, sie
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