0793 - Die Bruderschaft des Teufels
Hoffmanns Begeisterung für die Messen und Zusammenkünfte der Bruderschaft deutlich abgekühlt war.
»Er scheint vor etwas oder vor jemandem Angst gehabt zu haben«, sagte Zamorra, »und zwar so sehr, dass er den Grund noch nicht einmal seinem Tagebuch anvertraute.«
Er blätterte weiter. Georg Hoffmann hatte alle Daten notiert, an denen sich die Mitglieder der Bruderschaft, die sich selbst als Adepten bezeichneten, getroffen hatten. Die Rituale, die der ›Meister‹ ausführte, waren mit der Zeit obskurer geworden - und blutrünstiger.
»Zunächst hat er nur Tiere geopfert«, sagte Reinhold Hoffmann. »Er vergoss ihr Blut und initiierte damit die neuen Mitglieder. Fast bei jedem Treffen kamen neue Adepten hinzu. Aber irgendwann stagnierte die Zahl. An einer Stelle spekuliert Georg über den Grund - er vermutet, dass manche der alten Eingeweihten spurlos verschwanden.«
»Allerdings konnte er nur Vermutungen anstellen«, fuhr Zamorra fort, »da er die anderen Mitglieder nicht namentlich kannte. Der letzte Eintrag bezieht sich auf eine kürzlich stattgefundene Messe, bei der zum ersten Mal ein menschlicher Leichnam Verwendung fand. Eine Frau, deren Körper durch den Meister zu neuem Leben erweckt wurde…«
»Das klingt alles so unglaublich«, sagte Reinhold Hoffmann kopfschüttelnd. Sein Gesicht war blass. »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass mein Bruder bei solchen satanischen Ritualen mitgewirkt hat.«
Kommissar Werner schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ich verstehe nicht, welche Vorteile die Mitgliedschaft in einer solchen Gruppierung bringen kann. Niemand kennt den anderen, es gibt also keine verschworene Gemeinschaft unter den Mitgliedern…«
»Der ›Meister‹ ist der Schlüssel«, sagte Zamorra. »Er ist derjenige, der die Fäden in der Hand hält - und zwar ohne Ausnahme. Er hat dafür gesorgt, dass es mit Georg Hoffmanns Geschäft aufwärts ging und dass Vincent Perrys Vertrag bei der Universität verlängert wurde.«
»Aber dafür hätte er überall zur gleichen Zeit sein müssen. Er ist doch nicht der Weihnachtsmann.«
»Erkennen Sie jetzt, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugeht? Ich vermute, dass er von der Schwarzen Familie unterstützt wurde - vielleicht auch nur von einem einzelnen Dämon. Gewöhnlich wird auf solchen Schwarzen Messen die Fürstin der Finsternis angerufen. Von ihr erwarten die Beschwörer Erfolg, Gesundheit, das ewige Leben und vieles mehr.«
»Eine Fürstin?«, fragte Werner skeptisch.
»Zur Zeit ist es eine Frau«, sagte Zamorra, ohne sich um Reinhold Hoffmanns verwunderten Blick zu kümmern, »und zwar ein ziemlich teuflisches Weib. Sie heißt Stygia, und wie ich sie einschätze, nähme sie die Anbetung, die ihr aus diesem Kreis entgegenschlägt, mit Wohlgefallen zur Kenntnis.«
Reinhold Hoffmann zündete sich hastig eine Zigarette an. »Sie meinen also, es handelt sich um eine klassische Beschwörung, bei der der Teufel - Verzeihung, die Teufelin - erscheint und mit ihrem Pferdefuß protzt?«
»Stygia hat keinen Pferdefuß. Nun ja, zumindest nicht immer. Meist verbirgt sie ihre schwarze Seele in einem verdammt hübschen Körper.«
»Das ist doch Wahnsinn!«, stöhnte Werner.
»Georg Hoffmann hat genauestens Buch geführt«, sprach der Dämonenjäger weiter. »Sie trafen sich einmal im Monat - an verschiedenen Orten, damit niemand ihre Spuren zurückverfolgen konnte. Vielleicht ist Stygia nicht persönlich aufgetaucht, aber nach dem, was ich von Vincent Perry gehört habe, wurde beim letzten Treffen ein Leichnam zum Leben erweckt, der daraufhin eine Ziege zerfleischte. Das stimmt mit diesen Aufzeichnungen überein.« Zamorra deutete auf eine Eintragung wenige Seiten, bevor die Aufzeichnungen abrupt endeten. »Der Meister hat die Wiedererweckung sogar vorher angekündigt. Vielleicht ahnte er, dass er seine Schäfchen nur bei der Stange halten konnte, wenn er ihnen jedes Mal etwas Neues bot.«
»Aber warum das alles?«, fragte Reinhold Hoffmann. »Warum ruft er diese Stygia nicht allein an?«
»Die Dämonen lassen sich nicht so einfach in ihren Geschäften stören«, sagte Zamorra. »Urft etwas von ihnen zu be- t kommen, muss man einen Preis zahlen. Es ist ein ganz gewöhnlicher Handel.«
»Seine Seele?«
»… oder die Seele eines anderen. Der Meister hat gewiss nicht aus Menschenfreundlichkeit gehandelt. Er brauchte die anderen, um genügend Macht über die Dämonen zu bekommen. Erst dann konnte er von ihnen fordern, was er wollte.«
»Und -
Weitere Kostenlose Bücher