0796 - Der Kristallträger
Antapex die Gefahr voraussagte, die von dem fremden Sonnensystem ausging. Es lag durchaus im Bereich des Möglichen, daß er es war, der die SOL vor dem Untergang bewahrte.
Wahrscheinlich hatten alle Legenden, die sich um ihn rankten, einen Kern von Wahrheit, denn die Fähigkeiten, das zu vollbringen, was man ihm zuschrieb, besaß er.
Ich brach dennoch die Lektüre der „Kosmogonie der SOL" ab, denn ich erfuhr daraus nichts wirklich Neues. Außerdem stand die Ankunft eines Botschafters der Kaiserin von Therm bevor.
Auch sein Erscheinen hatte Antapex prophezeit, lange bevor das Kugel-Ring-Raumschiff geortet worden war. Und er hatte mit der achtfingrigen Hand ein Charakteristikum seines Aussehens ebenso skizziert, wie er seinen Namen genannt hatte: Choolk!
Sämtliche Mutanten hatten sich bei jener Schleuse einzufinden, durch die der COMP an Bord gebracht worden war. Denn - wie symbolträchtig! - dort wollte auch der Beauftragte der Kaiserin von Therm in die SOL kommen.
Bevor ich mich jedoch auf den Weg dorthin machte, sah ich noch kurz bei der Parapsychischen Abteilung vorbei.
*
Vor dem Eingang der Sonderabteilung drängten sich ein Dutzend Männer und Frauen. Sie beschimpften die beiden Wachtposten, die sich hinter einer Paralysestrahl-Barriere verschanzt hatten, und schüttelten drohend ihre Fäuste. Keiner der Leute war über Vierzig, es handelte sich durchweg um Solgeborene.
„Was hat das zu bedeuten?" fragte ich barsch.
Die Köpfe fuhren herum, wutverzerrte Gesichter starrten mich an. Einige wurden unsicher, als sie meine Uniform sahen, und der eine oder andere erkannte mich wohl auch.
„Mit welchem Recht sperrt man uns aus?" rief jemand aus dem Hintergrund.
Die anderen wichen zur Seite, als sich ein Mädchen einen Weg bahnte und vor mich hintrat. Sie war noch blutjung, höchstens zwanzig, hübsch anzusehen mit ihrem rotschillernden, erhärtethochgekringelten Haar. Ihre künstlich getupften Augen funkelten mich an.
„Wir sind gekommen, um Antapex zu besuchen", sagte sie. „Ich bin sicher, daß er sich über unseren Besuch freuen würde.
Wir Solgeborenen haben immer an ihn geglaubt - im Gegensatz zu euch, die ihr euch plötzlich als seine Beschützer aufspielt.
Mit welcher Begründung hält man uns eigentlich von ihm fern?"
Ich wußte es selbst nicht genau, ich hatte seine Isolierung jedenfalls nicht angeordnet. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Mißverständnis der Wachtposten. Andererseits hatte niemand damit gerechnet, daß sich Antapex Aufenthaltsort so schnell herumsprechen würde. Wir hatten zwar nicht gerade auf besondere Geheimhaltung Wert gelegt, aber andererseits hatten wir sein Auffinden auch nicht publik gemacht.
„Laßt mich bitte durch", sagte ich. „Ich werde veranlassen, daß ihr ihn seht. Aber ich ersuche euch, Ruhe zu bewahren. Antapex ist den Umgang mit Menschen nicht gewöhnt." Ich gab den Wachtposten einen Wink, und sie schalteten die Paralysestrahl-Barriere aus.
„Sind Sie sicher, daß Sie keinen Fehler begehen?" sagte der eine vorwurfsvoll. „Wenn wir ein Dutzend durchlassen, spricht sich das wie ein Lauffeuer herum, und bald pilgern die Solgeborenen zu Hunderten hierher."
Ich biß mir auf die Lippen. So unrecht mochte der Mann nicht haben. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, den Forderungen der Solgeborenen nachzugeben.
Aber ich war von der Voraussetzung ausgegangen, daß es sie einigermaßen ernüchtern würde, Antapex in Fleisch und Blut vor sich zu sehen. Ich wollte sozusagen eine Legende zerstören.
Aber wie sich später herausstellte, erreichte ich damit das Gegenteil.
Ich führte die Solgeborenen zu Antapex Zimmer und ließ sie draußen warten, um ihn schonend auf den Besuch vorzubereiten.
„Hallo, Irmina", begrüßte mich Antapex. Er strahlte mich an.
Sein Gesicht verdüsterte sich jedoch sogleich wieder. „Warum läßt du meine Besucher denn vor der Tür warten?"
„Ich wollte dich erst einmal auf sie vorbereiten", sagte ich etwas betroffen, „habe dabei jedoch nicht bedacht, daß du voraussehen würdest, was auf dich zukommt. Willst du die Leute wirklich sehen, oder soll ich sie fortschicken?"
„Tu, was du für richtig hältst", sagte er eingeschnappt.
Ich öffnete seufzend die Tür. Die Solgeborenen strömten herein. Vor Antapex Bett blieben sie stehen und starrten ihn an.
Er lächelte ihnen entgegen.
„Hallo", sagte er. „Was starrt ihr mich so an? Ich bin kein Gespenst."
Ich hatte das Gefühl, daß sich Antapex in seiner
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