0797 - Tränenjäger
Ergebnisse.«
Escalus sah ihn über den Rand seiner sinnlosen Brille an. »Der Nahrungswert des Blutes ist um annähernd fünfzehn Prozent gestiegen. Das ist noch nicht ausreichend, aber in ein oder zwei Jahren werde ich mit fünfzig Prozent aufwarten können. Eine gewaltige Verbesserung! Sarkana wird mehr als zufrieden sein.« Escalus hielt inne. »Nur das Blut des Kindes… sein Nährwert ist in keiner Weise gestiegen.«
In Laertes’ Kopf schrillten die Alarmsirenen. Sieben lange Jahre hatte er Khira vor Escalus geschützt, wo er nur konnte. Langsam gingen ihm die Ausreden und Begründungen aus, mit denen er das Kind vor Escalus’ Zugriff sichern konnte.
»Liberi ist eine Ausnahme. Überlasse sie mir. Du hast ausreichend Material, an dem du dich austoben kannst.« Dalius erhob sich mit einer fließenden Bewegung, die exakt zu seiner Anatomie passte. »Die Kleine ist für dich tabu. Belassen wir es dabei.«
»Ich werde die neuen Blutproben von ihr genauestens prüfen. Wir werden sehen, Dalius. Merk dir eine Sache. Es gibt hier für mich keine Tabus. Vielleicht werde ich sie schon morgen sezieren.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Raum.
Eher seziere ich dich… Laertes ahnte, dass er bald eine Entscheidung herbeiführen musste. Escalus war mit seinen Forschungsergebnissen überhaupt nicht zufrieden. Das machte ihn völlig unberechenbar.
Durch die offene Tür zum Innenhof sah er den Vampir auf das große Gebäude zugehen, in dem die Gefangenen untergebracht waren - die Versuchsobjekte. Wahrscheinlich würde der alte Blutsauger seine Unzufriedenheit an ihnen auslassen; ganz sicher würde er sich bei ihnen bedienen, sich betrinken.
Laertes hatte nie das Blut der hier gefangenen Menschen getrunken. Das war auch der Grund, warum er in regelmäßigen Abständen verschwand. Er holte sich den Lebenssaft woanders. Sein Blick verfolgte Escalus, der von den Wachen in das Gebäude gelassen wurde.
Ehrfürchtig verneigten sich die beiden Vampire übertrieben tief. Und wieder kam ein ganz bestimmter Verdacht in Laertes hoch.
Es war ein schleichender Prozess, den Dalius erst nach und nach registriert hatte. In den letzten Monaten jedoch war es unübersehbar; dass sich das Verhalten der Vampire änderte. Durch den gestiegenen Nährgehalt im Blut, das sie bei den Gefangenen tranken, war eindeutig ein Nebeneffekt entstanden. Sie wurden unterwürfig, benahmen sich wie Escalus’ Lakaien!
Selbst Cranmer, der Brutalste und Willenstärkste von allen, zuckte zusammen, wenn der Wissenschaftler in seine Nähe kam. Cranmer, der sich nichts und niemandem gebeugt hatte. Der selbst in Sarkanas Gegenwart keinerlei Furcht zeigte. Er benahm sich nun wie Escalus’ Schoßhündchen…
Nur Escalus selbst zeigte keine Anzeichen dieser Charakteränderung.
Zufall? Laertes glaubte keine Sekunde lang daran. Spielte Escalus hier sein ureigenes Spiel? Oder war es Sarkanas eigentliches Ziel, das stolze und unbeugsame Volk der Vampire zu ihm ergebenen Sklaven zu machen, von denen er keinen Widerspruch mehr fürchten musste? Keinerlei Gegenwehr, wenn er sich zu ihrem Herrscher aufschwingen wollte?
Dalius Laertes wusste die Antwort darauf nicht. Nur zwei Personen würden sie ihm geben können: Sarkana selbst und Escalus. Wenn seine Vermutung richtig war, dann plante hier jemand einen entscheidenden Eingriff in das Wesen des Nachtvolkes. Nur… wer war es?
Das leise Rascheln kam von der Tür zum Nebenraum. Dalius sah die winzige Hand, die in der gleichen Sekunde zurückzuckte und verschwand. Khira. Sie war wieder wach. Wie lange wohl schon? Was hatte sie gehört - und was davon hatte sie verstanden?
Laertes Blick fiel auf die Blutproben der Kleinwüchsigen. Er brauchte Zeit. Nicht nur ein paar Tage, die er Escalus noch von Khira fernhalten konnte. Nein… Laertes dachte in Jahren. Drei, besser noch fünf Jahre waren das Mindeste. Früher konnte Khiras Entwicklung nicht abgeschlossen sein.
Denn nicht nur Escalus und Sarkana hatten ihre ganz speziellen Pläne.
Vorsichtig nahm Laertes das Holzgestell mit den Glasampullen in seine 24 linke Hand. Er musste sich jetzt konzentrieren, denn einen Fehler konnte er sich nicht erlauben.
Es war eine mächtige Magie, die Augenblicke später den Raum erfüllte.
Und nur wenige der uralten Vampire wussten von ihrer Existenz…
***
Finnland - Gegenwart
... Khira hatte damals überhaupt nicht geschlafen.
Viel zu neugierig war sie gewesen, denn schon nach wenigen Sekunden hatte sie ihren Namen
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