0797 - Tränenjäger
Vampire immer wieder den neuen Gegebenheiten an und katzbuckelten vor ihren Herren?
Vielleicht nicht wirklich alle. Nicole dachte an Tan Morano, doch diesen Gedanken verscheuchte sie schnell wieder. Zu viele unangenehme Dinge kamen ihr dabei in den Sinn. Dinge, die sie für immer vergessen wollte, was ihr aber bis heute nicht wirklich gelungen war.
Immerhin war er der erste und einzige gewesen, der sie zu einem Seitensprung hatte überreden können, seit sie mit Zamorra zusammen war. Und das war in jenen schwachen Momenten nicht einmal unangenehm gewesen - was ihr im Nachhinein als das Schlimmste erschien.
Denn sie liebte Zamorra doch, wie niemanden sonst und niemanden zuvor!
Und ausgerechnet ein Vampir hatte sie einmal kurz von ihrem Weg abbringen können… wobei sich herausgestellt hatte, dass sie gegen den Blutsauger-Keim immun war. Wenigstens etwas…
Sie zwang ihre Gedanken, zum aktuellen Thema zurückzukehren.
»Viel wichtiger wäre es nun endlich zu wissen, wo er steckt.« Nicole fiel ein, dass der einfachste und logischste Weg oft so deutlich vor einem lag, dass man ihn schlicht und ergreifend nicht sah. »Gib mir doch einmal deine Zauberkiste.«
Zamorra starrte seine Sekretärin verwundert an. Als sie ihm wortlos in die Innentasche seines Jacketts fasste, dämmerte ihm so langsam, was sie mit Zauberkiste gemeint hatte: Das Handy, das ihm von Tendyke Industries regelrecht aufgedrängt worden war.
Zamorra hatte sich lange Zeit handylos gehalten, denn die auf dem Markt befindlichen Geräte erfüllten allesamt nicht die Kriterien, die solch ein Gerät für ihn tatsächlich wertvoll gemacht hätten.
Das Ten dyke-Handy jedoch besaß all dies im Übermaß - und noch viel, viel mehr. Das meiste davon war in seinen Augen Schnickschnack, den er nie, oder doch nur äußerst selten anwenden konnte. Das war auch der Hauptgrund, warum er nach wie vor nicht einmal annähernd alle Funktionen des Mobilphons ausprobiert hatte. Davon, dass er sie alle beherrschte, konnte daher natürlich überhaupt keine Rede sein.
»Du willst van Zant doch nicht etwa anrufen?«
Nicole sah ihn fragend an. »Hast du eine bessere Idee? Nein, warte. Ich formuliere es anders: hast du überhaupt eine Idee?«
Damit hatte sie ihn natürlich voll erwischt, doch Zamorra gab noch nicht auf. »Was geschieht wohl, wenn Artimus gerade jetzt, in dieser Sekunde, alles andere als einen ätzend lauten Klingelton gebrauchen kann? Das könnte sein Leben gefährden. Denk nach, Nici.«
»Nichts anderes mache ich die ganze Zeit über.« Unbeeindruckt rief sie im Telefonbuch des Handys van Zants gespeicherte Mobil-Nummer auf. »Das Risiko ist, glaube ich, vertretbar. Nicht vertretbar hingegen ist es, wenn wir hier nur dumm herumstehen und nichts tun. Also lass mich machen, okay?«
Zamorra ergab sich Nicoles Logik. Irgendwie hatte sie ja Recht. Eine andere Möglichkeit, Artimus van Zant ausfindig zu machen, hatten sie offensichtlich nicht. Als die Verbindung dann stand, kam jedoch alles anders, als es sich Zamorra und Nicole vorstellen konnten.
Anders… und um ein Vielfaches schrecklicher!
***
Artimus van Zant summte einen Song.
Er stammte von einer seiner Lieblingsgruppen, der Southern-Rock-Band Molly Hatchet und hieß The Journey. Typischer Southern-Rock - länger als sieben Minuten, und das letzte Drittel bestand aus einem E-Gitarren-Gewitter der Sonderklasse.
Journey… auf einer Reise befand er sich schließlich auch. Van Zant versuchte positiv an die Sache heran zu gehen. Was blieb ihm auch anderes übrig?
Von den sechs Kilometern, die er zu bewältigen hatte, dürfte er knapp vier hinter sich gebracht haben. Je tiefer er in den Wald eindrang, je irrealer wurde die Umgebung. Van Zant korrigierte sich selbst. Es war nicht die Umgebung, denn der Wald sah hier nicht anders als vorhin aus. Es war die Atmosphäre, die alles andere als normal war.
Mit menschlichen Geräuschen hatte van Zant ja ohnehin nicht gerechnet, doch immerhin musste es hier doch eine entsprechende Fauna geben. Eine Tierwelt, die raschelte, hüpfte, zwitscherte oder mit einem spitzen Schnabel versuchte, Sägemehl aus Baumstämmen zu machen.
Aber nichts dergleichen war zu vernehmen. Es war totenstill um Artimus van Zant.
Ein stummer Wald also. Dass es so etwas gab, war ihm neu. Die Stille passte eher zu einer Mondlandschaft, aber auf dem Mond wuchsen keine Wälder.
Irgendwie fühlte er sich in eine andere Welt versetzt. Eine jener Welten, die von den erbeuteten Spidern
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