0797 - Tränenjäger
geahnt, was geschehen würde, wenn Sarkana das ganze Ausmaß von Escalus’ schwachsinnigen Versuchen erfahren würde. Es hätte niemals zu diesem Massaker kommen müssen, wenn Sarkana mir zugehört hätte. Dich und deine Familie hätte ich in Sicherheit gebracht, wenn der Dämon das Projekt frühzeitig beendet hätte. Aber dann sind meine schlimmsten Befürchtungen eingetroffen.«
Van Zant schaltete sich ein. »Das alles ist entsetzlich. Aber wir haben hier und jetzt ein Problem, das wir lösen müssen. Und zwar rasch, denn wer weiß, welche Ideen Sarkana noch hat, um sich Khiras zu entledigen. Es wäre ihm doch ein Leichtes, sie töten zu lassen. Also müssen wir verschwinden.«
Laertes Antwort überraschte den Physiker. »Er weiß nicht, dass es nur eine Khira gibt. Er fürchtet, die blutenden Tränen könnten kein Einzelfall sein. Darum bin ich hier, denn genau das soll ich ja für ihn erforschen. Er ahnt nicht, dass ich der Urheber dieses Phänomens bin. Wenn er es wüsste, wäre Khiras Leben keinen Deut mehr wert.«
»Dann wird es aber Zeit, dass er es erfährt. Findest du nicht auch, Dalius Laertes?«
Die schneidende Stimme ließ die drei herumfahren. Nahezu nackt und mit aufreizendem Lächeln stand Orsina Tybalt in einer der glaslosen Fensteröffnungen, die etwa zwei Meter über dem Boden begannen. Katzengleich sprang sie in das Gebäude hinein und näherte sich Laertes und den beiden Menschen.
»Er wird sehr, sehr traurig sein, dass er ausgerechnet dir so viele Jahre lang getraut hat, Dalius. Kaum zu fassen, dass Sarkana solch ein Irrtum unterlaufen konnte. Nicht Escalus, sondern dich hätte er zerfleischen sollen.«
»Willst du es für ihn versuchen, Orsina? Es war dumm von dir, dein erlauschtes Wissen nicht sofort zu Sarkana zu tragen. Stattdessen kommst du hierher und prahlst damit. Glaubst du, ich werde dich nun verschonen?« Laertes Gestalt wirkte plötzlich wie ein gespannter Langbogen, der in der nächsten Minute zur tödlichen Waffe werden konnte.
Artimus van Zant wusste, dass die Vampirin Laertes bereits vorhin unterlegen gewesen war. Wie konnte sie so dumm sein, sich ihm hier offen zu stellen? Dennoch dachte und handelte Artimus pragmatisch. Seine Pranken hoben Khira hoch und setzten die noch schwache Kleinwüchsige auf seine Schultern. Dieses Huckepack-Doppel hatten sie bereits erfolgreich erprobt.
Und dem Südstaatler war klar, dass es in wenigen Sekunden auf Schnelligkeit ankommen konnte. Er hatte nicht vor, sich in den Kampf der beiden Vampire einzumischen. Selbst Khira schien klar zu sein, dass sie sich heraushalten musste. Das war allein Laertes’ Kampf.
Orsina lachte laut auf. »Ich kann nicht gegen dich bestehen, denkst du?« Ihre ganze Körpersprache zeugte von absoluter Selbstsicherheit. »Da magst du ja vielleicht richtig liegen. Aber zum einen könnten wir es durchaus noch auf einen Versuch ankommen lassen. Zum anderen… niemand hat behauptet, dass ich alleine bin, oder?«
Das Haupttor öffnete sich wie von Geisterhand und machte einem guten Dutzend dunkler Gestalten den Weg in das Gebäude frei. Gleichzeitig füllten sich die Fensteröffnungen mit Wesen, deren Anblick unzweifelhaft verriet, dass sie alle einer Rasse zugehörig waren: Vampire!
Es war ein gespenstischer Anblick. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann sahen sich Laertes, Artimus und Khira Stolt von mehr als dreißig dieser Wesen umringt.
»Verdammt, ich dachte, du würdest sie rechtzeitig spüren?« Es war kein Vorwurf in Artimus’ Frage, sondern echte Verwunderung. Im Normalfall war die Biologin in der Lage, vampirische Aktivitäten zu fühlen.
»Das ist an diesem Ort nicht möglich.« Khira spürte die Angst wie einen dicken Kloß in ihrem Hals sitzen. »Hier ist alles schwarzmagisch aufgeladen. Dalius, Tybalt - dazu noch der magischenergetische Schutzschirm um den Hof. Ich habe ihr Eindringen nicht gespürt.«
Die Invasoren hielten gebührenden Abstand zu Laertes und den Menschen. Schließlich trat einer von ihnen vor, den van Zant und Khira sofort erkannten. Zu groß war seine Ähnlichkeit mit Professor Zamorra.
Don Jaime deZamorra lächelte süffisant. »Sarkana lässt dich grüßen, Dalius Laertes. Er schickt mich, weil er die Tränen der Frau braucht. Doch das dürfte sich nun erledigt haben. Du warst ja so freundlich, uns alle aufzuklären. Er wird hocherfreut sein, wenn ich ihm melden kann, dass sein Problem nicht mehr existiert. Gib sie uns heraus. Ohne Kampf, denn ich mische mich nicht gerne
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