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0797 - Tränenjäger

0797 - Tränenjäger

Titel: 0797 - Tränenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Krämer
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Boden gehen, und ein Blutrinnsal sickerte aus seinem rechten Ohr. Sein Peiniger fletschte die Zähne, doch er beherrschte sich, denn wenn er etwas anderes tat, als seinen Auftrag auszuführen, würde man ihn dafür bestrafen.
    Zwei harte Hände legten sich um die Hüften des Kindes, hoben es wie eine Feder in die Höhe. »Du solltest das lassen, Liberi. Wenn er dich sehen will, dann hast du zu gehorchen.«
    Die Kleine schrie auf, denn die knochigen Finger ihres Peinigers drückten besonders kräftig zu.
    Mit der ganzen Kraft, die in dem viel zu kleinen Körper der Sechsjährigen schlummerte, versuchte sie sich aus dem Zangengriff zu befreien. Doch gegen die unmenschliche Energie des Vampirs hatte sie keine Chance. Unberührt von ihrem Gezeter wandte er sich dem Ausgang zu.
    Stumm bildeten die Menschen eine Gasse, um jeden Körperkontakt mit dem Dunklen zu vermeiden. Angst und Mutlosigkeit lagen in den Augenpaaren, die ihm entgegenstarrten.
    Niemand wagte es auch nur einen Finger zu rühren, um der Kleinen zu Hilfe zu kommen. Schon lange hatte jeder hier begriffen, dass es keine Hilfe gab. Für niemanden von ihnen.
    »Was glotzt ihr denn so blöde? Los, macht Platz, ihr Idioten, sonst…« Mit, Tritten vergrößerte er die Gasse links und rechts von sich. Er hasste diese niederen Geschöpfe. Niemals würde er begreifen, warum man sie hier am Leben hielt. Wenn es nach ihm gegangen wäre…
    »Lass sie herunter, Cranmer. Ganz vorsichtig und sanft.«
    Keiner der Menschen hätte es je gewagt, einen der Vampire mit seinem Namen anzureden. Doch vom Ende der Menschengasse klang die Stimme zu ihm herüber, die er jetzt wirklich nicht hören wollte.
    »Ich soll die Kleine zu Escalus bringen. Und du solltest mich nicht daran hindern, Laertes. Selbst du hast seinen Befehlen zu gehorchen. Also lass mich vorbei.«
    Der Dürre bewegte sich nicht einen Millimeter von der Stelle. Cranmer schaffte es einfach nicht, seinen Blick von Laertes Augen zu lösen. Dieser stechende, bodenlose Blick, angefüllt mit Traurigkeit, zog den Vampir in seinen Bann.
    »Lass das bitte Escalus’ und meine Sorge sein. Setz Liberi langsam auf den Boden und verschwinde von hier. Rasch, ich scherze nicht.«
    Mit wutverzerrtem Gesicht kam Cranmer dem Befehl nach. Was konnte er gegen einen Vampir wie Laertes ausrichten? Escalus und Laertes leiteten dieses Lager und gaben die Richtlinien vor. Auch wenn Escalus hier die Nummer eins war, stand außer Frage, dass Dalius’ Wort Gesetz war.
    Stolpernd flüchtete das Kind sich in die Arme seines Retters.
    Irgendwann, Laertes… irgendwann… Cranmer schlich mit gesenktem Kopf und gefletschten Zähnen aus dem Gebäude. Es musste ganz einfach der Tag kommen, an dem Laertes einen entscheidenden Fehler beging. Cranmer würde wachsam sein, ihn nicht zu verpassen.
    »Dalius, ich hatte Angst. Wo warst du denn so lange?«
    Die Kleine legte ihren Kopf an die Schulter des hageren Vampirs, dessen Blick ausreichte, um die Menschenansammlung zu zerstreuen. Sie alle fürchteten ihn wie jeden anderen der Blutsauger. Eine Ausnahme machte einzig und allein Khira.
    Das Kind war etwas ganz Besonderes für Laertes - er hatte einen Narren an ihr gefressen, doch in erster Linie war sie für ihn unsagbar wertvoll.
    Ohne sie wäre alles verloren, was er in so vielen Jahren geplant und umgesetzt hatte. Khira war der Rohdiamant, an dem alles hing. Einfach alles! Er musste nur aufpassen, dass er seine Beschützerrolle nicht zu sehr übertrieb.
    Skepsis gab es unter den anderen Vampiren ihm gegenüber schon lange, doch niemand wagte sich direkt gegen ihn zu wenden. Das sollte sich auch in Zukunft nicht ändern.
    Selbst Escalus, der sich in seine wissenschaftliche Arbeit vertiefte, schien aufmerksam geworden zu sein. Alles konnte und durfte Dalius nicht von dem Kind fernhalten.
    »Komm, Khira, wir gehen gemeinsam zu Escalus, hmm? Er wird dir nicht weh tun, wenn ich dabei bin.« Laertes strich über das Stoppelhaar des Mädchens.
    »Er will mich wieder pieksen. Immer mich! Wenn du das machst, ist es ja nicht so schlimm…«
    Dalius lächelte, als sie ihre kleinen Arme fest um ihn schlang. So jung sie auch noch war, so sehr konnte sie ihre Wirkung bereits steuern und geschickt einsetzen.
    »Gut, dann übernehme ich das heute. Escalus wird nichts dagegen haben.« Mit staksigen Schritten verließ er das Gebäude. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und die grelle Sonne war endlich vom Himmel verschwunden.
    Ruhig lag das Kind in seinen Armen

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