0799 - Gefangen in Choquai
Ich…
Dann war da nur noch Stille.
***
Irgendwo am Fuß der San Gabriel Mountains
Im Haus war es dunkel und angenehm kühl. Nicole hatte das Gefühl, als würden sie unzählige Augenpaare aus der Dunkelheit beobachten, obwohl sie wusste, dass das nicht stimmte. Aber vermutlich nahmen Fu Longs Kinder über Jin Mei telepathisch an ihrem Gespräch teil.
»Du hast nichts zu befürchten«, sagte die Vampirfrau. »Dir droht hier keine Gefahr. Wir respektieren die Unantastbarkeit des Unterhändlers. Außerdem bist du Zamorras Gefährtin, und Zamorra ist unser… Freund.«
Nicole schluckte, doch sie erwiderte nichts. Es konnte ihr nur helfen, wenn dieses Wesen in ihr keine Erzfeindin sah, sondern eine potenzielle Verbündete. Das würde es leichter machen.
»Folge mir«, sagte Jin Mei. Die Vampirfrau führte Nicole in ein adrett eingerichtetes Esszimmer. Die wurmstichigen Möbel hätten das Herz jedes Restaurateurs höher schlagen lassen. Vermutlich stammten sie noch vom ersten Besitzer der Villa. Obwohl Nicole erst vor wenigen Stunden in Fu Longs Arbeitszimmer um Zamorras Leben gekämpft hatte, war ihr dieser Teil des Gebäudes völlig unbekannt.
Jin Mei bot der Dämonenjägerin einen bequem aussehenden Sessel an und wandte sich zu einer Jugendstilanrichte, für die mancher Antiquitätensammler gemordet hätte.
»Tee?«
»Ja, gern«, sagte Nicole. Eigentlich hatte sie gar keinen Durst, aber im Moment war ihr alles recht, was ihr half, die Situation etwas zu entspannen.
Die Dämonenjägerin beobachtete, wie Fu Longs Gefährtin mit der ihr eigenen Anmut eine schlichte Kanne von der Anrichte nahm und etwas Tee in ein kleines Schälchen goss.
»Trink! Er ist noch frisch.«
Sie wusste, dass ich komme, dachte Nicole. Und sie hat bereits alles dafür vorbereitet. Jin Mei goss sich ebenfalls etwas Tee ein und setzte sich der Dämonenjägerin gegenüber. Muss die Gewohnheit sein, wunderte sich Nicole. Schließlich brauchten Vampire eigentlich weder Nahrung noch Getränke -außer Blut. Und dann sah sie in den Augen ihres untoten Gegenübers etwas, das sie zutiefst verwirrte.
Trauer.
»Was ist mit Fu Long? Hat das Ritual diesmal funktioniert?«
»Er ist in Choquai. Zumindest hoffe ich das. Mögen ihm die Götterdämonen den rechten Weg weisen. War eure Mission erfolgreich?«
Nicole nickte. »Wir wissen, wo Kuang-shi ist.«
Die untote Chinesin erwiderte nichts. Sie nahm nur einen weiteren Schluck Tee und wartete ab, was Nicole weiter zu sagen hatte. Die Dämonenjägerin entschloss sich, alle Karten offen auf den Tisch zu legen. Sie hatten keine Zeit mehr für Spielchen.
»Er ist in einem Lagerhaus in Vernon, vermutlich bewacht von einer ganzen Armee von Tulis-Yon. Zu dritt werden wir mit denen niemals fertig. Wir könnten etwas Unterstützung gebrauchen.«
Jin Mei stellte die Schale Tee sorgfältig ab und sah Nicole fest in die Augen. »Was schlägst du vor, Nicole Duval?«
»Einen Pakt. Wir brauchen die Reste der-Vampirarmee.«
Jin Mei zögerte mit der Antwort keine Sekunde. »Ich nehme dein Angebot an. Wenn Fu Long und Zamorra in Choquai Seite an Seite gegen Kuang-shi kämpfen, können wir das hier auch tun. Wir werden mit euch in den Krieg ziehen, selbst wenn es unser Untergang sein sollte!«
***
Choquai
Der Besucher kam weit nach Mitternacht. Tsa Mo Ra befand sich in dem Teil des Gebäudes, der traditionell von der Hausherrin bewohnt wurde, als ein Diener den nächtlichen Gast meldete.
»Wu Huan-Tiao? Was will er zu dieser Stunde?«
»Das hat er nicht gesagt, Herr.«
Tsa Mo Ra nickte. »Führe ihn in ins Studierzimmer, und bitte ihn, sich einen Moment zu gedulden.«
Der Diener nickte und entschwand fast lautlos. Die anderen Sklaven warteten respektvoll außerhalb des Raumes. Der Hofzauberer hatte sie immer gut behandelt, und so trauerten sie mit ihm, auch wenn sie dem Objekt seiner Trauer - der in Ungnade gefallenen und hingerichteten Zauberin Shao Yu -weitaus weniger Verehrung entgegenbrachten.
Ursprünglich war dies ihr Haus gewesen und Tsa Mo Ra nur Shao Yus Gatte. Doch Kuang-shi hatte ihm das Gebäude zugesprochen. Das war eine großzügige Geste, denn nach dem Gesetz hätte der Oberste Guan von Choquai-Yus kompletten Besitz für sich beanspruchen können, ohne dass dies als besondere Grausamkeit empfunden worden wäre.
Und doch hätte es Tsa Mo Ra das Herz gebrochen, die Räume weiter zu nutzen, in denen ShaoYu so viele Jahre gelebt hatte. Ein letztes Mal nahm er die Luft ihres Schlafzimmers in
Weitere Kostenlose Bücher