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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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die Schüssel. Porzellansplitter spritzten davon, wurden selbst zu scharfkantigen kleinen Geschossen, die gegen die Wände prasselten.
    McDevonshire schloss instinktiv die Augen, um wenigstens sie vor Verletzungen zu bewahren. Wo ihn seine Kleidung nicht schützte, erwischten ihn ein paar der Porzellanscherben, hinterließen aber nur winzige blutende Schrammen. Aber die waren im Moment ohnehin seine geringste Sorge.
    Er hatte, als Louis Cruchot abdrückte, seine langen Beine als Schere eingesetzt und den Gendarmen in der Eile zwar nicht zu Fall, aber immerhin aus dem Gleichgewicht gebracht. Das hatte gereicht, um ihn den ersten Schuss verreißen zu lassen.
    Doch er legte bereits wieder auf McDevonshire an, der immer noch neben dem toten Doktor auf dem Fliesenboden lag und nach der Zerstörung der Toilettenschüssel obendrein noch im Wasser.
    »Verdammt, Cruchot, hören Sie auf!«, donnerte der Engländer mit einer Stimme, die in der Vergangenheit tatsächlich schon genügt hatte, um schießwütige Kerle zur Vernunft zu bringen.
    Bei Cruchot verfing sie nicht. Der Gendarm feuerte erneut.
    Die zweite Kugel klatschte in die Wand und ließ dort Kacheln splittern. McDevonshire hatte abermals seine Länge genutzt, im Liegen nach der Waffenhand des anderen getreten und sie auch erwischt.
    Jetzt setzte er mit beiden Füßen nach und traf den Gendarmen vor die Brust. Cruchot wurde nach hinten und zur Tür hinausgeschleudert.
    Im Nu kam McDevonshire hoch, rutschte auf dem nassen Boden aus, fing sich, stützte sich mit der linken Hand ab und ließ die rechte unter dem nassen Jackett verschwinden. Mit dem vertrauten Gewicht seiner SIG Sauer P226 kam sie wieder zum Vorschein, und mit der Pistole in der Hand trat er durch die Tür auf den schmalen Flur hinaus, wo Cruchot sich gerade aufrappelte.
    In den weit aufgerissenen Augen des kleinen Gendarmen irrlichterte es. Und wieder hatte McDevonshire den Eindruck, es rängen in Cruchots Gesicht zwei Mienen miteinander – eine stoisch, die andere verzweifelt und voller Qual.
    Beirren ließ er sich davon jedoch nicht. Der Engländer richtete seine Dienstwaffe auf den Franzosen. »Waffe weg!«, befahl er. »Sofort!«
    Cruchot schüttelte den Kopf und presste angestrengt hervor: »Ich … ich kann nicht.«
    Jetzt war der Gendarm zu weit entfernt, um ihn mit einem weiteren Tritt zu erreichen. »Cruchot, ich warne Sie …«
    Cruchot schlug die Warnung in den Wind. McDevonshire sah, wie sich der Finger des Gendarmen um den Abzug seiner Waffe krümmte – und war um den berühmten Sekundenbruchteil schneller.
    McDevonshires Kugel schrammte über Cruchots Waffenhand und hinterließ eine blutige Furche.
    Eigentlich hätte die Faust des Mannes jetzt buchstäblich aufschnappen und die Pistole zu Boden poltern müssen – aber Cruchots tatsächliche Reaktion war eine andere: Seine Finger schlossen sich nach dem Streifschuss im Gegenteil nur noch fester um die Waffe. Die Knöchel traten weiß und so spitz hervor, dass McDevonshire einen Moment lang ernsthaft glaubte, die Haut darüber würde reißen und platzen. Und der Zeigefinger am Abzug war nur ins Stocken geraten, lag aber immer noch gekrümmt am Druckpunkt.
    Ein weiterer Schuss krachte. Wieder aus McDevonshires Waffe. Diese Kugel traf Cruchots rechte Schulter und war dazu gedacht, dessen Waffenarm auszuschalten.
    Fast zeitgleich schoss auch der Dorfpolizist. Durch die bloße Wucht des Treffers, den Cruchot einstecken musste, und den Ruck, der seine Gestalt durchlief, ging sein Schuss jedoch daneben. McDevonshire hörte und spürte das Projektil an seinem Ohr vorbeibrummen. Gleichzeitig sah er, wie Cruchot erneut Maß nahm. Der Treffer in die Schulter behinderte ihn um keinen Deut!
    McDevonshire hatte keine Wahl mehr: Sein nächster Schuss musste tödlich sein, oder er würde selbst sterben! Er zielte auf die Stirn und zog durch.
    Cruchot kippte mit fast komisch weit aufgerissenen Augen und rundem Mund nach hinten.
    McDevonshire atmete durch. »Was zum Teufel war denn das?«, flüsterte er vor sich hin, den Blick erst auf Cruchot gerichtet und dann noch einmal nach hinten, wo der tote Arzt im Waschraum lag.
    Was war hier vorgefallen? Hatte Cruchot den Arzt, seinen alten Schulfreund Saunier, erschossen? Wenn ja, warum? Und weshalb hatte er ihm anschließend ein frisches Hemd übergezogen?
    Und dann Cruchots Gesicht. Vor allem das ging McDevonshire nicht aus dem Sinn, während er sich in der Gendarmerie umschaute. Dieser Widerstreit von

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