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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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wüssten, »wo Thomas Ericson steckt«, erwies sich als eine Übertreibung Guignards.
    Mittels einer Gesichtserkennungs-Software hatte man bei Interpol in Lyon lediglich herausgefunden, dass Ericson und seine Begleiter, Maria Luisa und Alejandro Suárez, in Rochefort-sur-Mer gewesen waren. Man hatte in einem langwierigen Verfahren die Aufnahmen von Verkehrsüberwachungskameras abgerufen und dabei den Kreis um die Île de Ré immer weiter ausgedehnt. Die Software hatte die Bilder durchforstet, was nur in Film und Fernsehen ruckzuck ging, in der Realität aber sehr lange dauerte und ungeheuer mühsam war. Die Fehlerquote war beträchtlich, aber jeder vermeintliche Treffer bedurfte einer genauen Überprüfung, für die das Auge eines Menschen und dessen Urteilsvermögen unerlässlich waren.
    So gesehen hatte Interpol dann doch sehr schnell Ergebnisse erzielt.
    Man sei sich, so Guignard, sehr sicher, dass Ericson und die Suárez-Geschwister von Rochefort-sur-Mer aus nach Norden aufgebrochen seien. Ihr Ziel sei dann zunächst der Eurotunnel gewesen; vom Bahnhof auf französischer Seite gab es Aufnahmen, die keinen Zweifel an der Identität der Gesuchten ließen. Und …
    »Im Zug kam es zu einem Vorfall mit dem Jungen. Er scheint irgendwie ausgerastet zu sein, darüber wurde ein Vorfallsbericht verfasst und Ericson musste seine Personalien angeben«, erklärte Guignard.
    »Sie sind also nach England gefahren«, fasste McDevonshire zusammen. Er hatte sich unterdessen wieder in seinen Peugeot gesetzt, nachdem der Regen stärker geworden war. Die Scheiben beschlugen. Er ließ den Motor an und schaltete Lüftung und Wischer ein.
    »Ja. Das steht fest«, sagte Guignard.
    »Und was war ihr nächstes Ziel?«
    »Das wissen wir noch nicht. Du weißt ja, diese Recherchen …«
    »… brauchen Zeit, ja.« So nützlich dieser ganze elektronische und digitale Kram bisweilen auch sein mochte, zaubern konnte man auch damit nicht.
    »Apropos ›brauchen‹«, hängte McDevonshire noch an, »ich bräuchte hier ein paar Leute zur Spurensicherung und so weiter. Es gab da eine kleine … Schweinerei.« McDevonshire informierte den Kollegen in knappen Worten über die Lage vor Ort.
    »Wird erledigt.« Die Merkwürdigkeiten, von denen McDevonshire sprach, schluckte Guignard kommentarlos. »Und was machst du?«
    »Ich fahre heim nach merry old England, da Mister Ericson so freundlich war, mir schon vorauszureisen.«
    »Ja, schöner Zufall.« Guignard lachte kurz auf. Es klang nicht wirklich belustigt, und das nicht nur, weil der Laut durchs Telefon kam.
    »Was ist daran so komisch?«, wollte McDevonshire wissen.
    »Ich wäre gern dabei, wenn du Jorgensen deinen Zwischenfall auf der Île de Ré erklären musst.«
    McDevonshire schnaubte unlustig. »Und ich wäre lieber nicht dabei.«
    ***
    Dover, England
    Trotz seines Namens hatte Bob Barclay zur englischen Barclays Bank keine Beziehung außer jener, dass er für sie arbeitete, und das seit vierzig Jahren in der Filiale im Stadtzentrum von Dover.
    Ereignislose vierzig Jahre. Kein Überfall, rein gar nichts Außergewöhnliches hatte sich in dieser Zeit in seiner Bank zugetragen. Worüber Bob Barclay nicht gram war. Er mochte seine Arbeit, wie sie war.
    Allerdings hatte er das Gefühl, dass sich heute an dieser Ereignislosigkeit etwas ändern könnte. Genau jetzt hatte er dieses Gefühl – als käme es in Gestalt eines unsichtbaren Dritten mit den beiden ungewöhnlichen Männern zur Eingangstür der Bank herein.
    Einer der beiden trug einen dunklen, sichtlich teuren Anzug, und er bewegte sich darin wie einer jener jungen Schnösel, die sich heutzutage im Finanzwesen tummelten und glaubten, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.
    Aber so jemand war dieser Mann nicht, auch das sah Barclay ihm an. Nein, dieser Mann machte einen irgendwie gefährlichen Eindruck, und die von ihm ausgehende Gefahr hatte nichts mit gewagten Spekulationen und dergleichen zu tun. Aus irgendeinem Grund drängte sich Barclay ein Bild auf, in dem dieser Mann ihm … die Kehle aufriss. Obwohl die Hände des Mannes – in einer trug er einen Aktenkoffer – eher schmal und gepflegt waren.
    Trotzdem tauchte Barclays Hand unter den Schaltertresen und kroch in die Nähe des Alarmknopfs, während der Glatzkopf – offenbar süd- oder mittelamerikanischer Herkunft – geschmeidig näher kam.
    Eine gewisse Geschmeidigkeit hatten auch die Bewegungen seines Begleiters, ein annähernd ebenso hochgewachsener Mann, der ganz

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