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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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in Weiß gekleidet war: weißer Anzug, weiße Schuhe, weißer Hut mit breiter Krempe. Barclay kam er vor wie ein nach Klischee ausstaffierter mexikanischer Großgrundbesitzer.
    Der Indio – ihm fehlten die Ohrläppchen, stellte Barclay nun aus der Nähe fest – grüßte höflich und Barclay erwiderte den Gruß mit etwas erstickter Stimme.
    »Was kann ich für Sie tun?« Sein Blick pendelte von dem Glatzkopf zu dem neben ihm stehenden Mann in Weiß und wieder zurück.
    »Wir möchten Geld abheben«, erklärte der Indio. Er nahm ein Formular aus dem Ständer und füllte es aus. Dann schob er es Barclay hin. Der las die Summe und schluckte.
    »So viel …«, setzte er an.
    »… befindet sich zur Auszahlung gewiss in Ihrem Tresor«, unterbrach ihn der Indio. »Sonst wären wir nicht hier. Wir haben unsere Zeit nicht gestohlen.«
    »Sehr wohl.«
    Barclay tippte die angegebene Kontonummer ein. Während der Account geöffnet wurde, irritierte ihn eine Bewegung des weiß gekleideten Mannes, der nach unten auf seine Schuhe sah und sich dann bückte, wie um sie zu binden.
    Barclays Blick fiel wieder auf den Bildschirm, und er musste abermals schlucken. »Sir …«, begann er.
    »Ja?«, fragte der Indio, als er nicht weitersprach. »Stimmt etwas nicht?«
    Barclay sah ihn an. »Nun, Ihr Konto …«
    »Was ist mit meinem Konto?«
    Es ist nicht gedeckt, hatte Barclay sagen wollen, aber die Worte erstarben ihm auf der Zunge, als seine Augen wieder zum Monitor wanderten – wo jetzt zu lesen stand, dass sich eine satte Million auf dem Konto befand.
    Um Himmels willen, wie hatte er sich so täuschen können?
    Der Mann in Weiß tauchte in diesem Moment wieder auf. »Alles in Ordnung?«, fragte er. Ohne Lächeln oder sonst eine erkennbare Regung in Gesicht oder Ton.
    »N-natürlich«, beeilte sich Barclay zu versichern.
    Der Glatzkopf legte den Aktenkoffer auf den Tresen und klappte den Deckel auf. »Wenn Sie dann so freundlich wären, das Geld hier hineinzugeben?«
    Als die beiden Männer die Bank wieder verlassen hatten, gingen Bob Barclay zwar noch ein Dutzend Fragen im Kopf herum, aber er versuchte nicht einmal, eine einzige davon zu beantworten. Er wollte nur diese seltsamen Typen so schnell wie möglich vergessen und hoffte, dass bis zu seiner Pensionierung keine solchen Kerle mehr bei ihm aufkreuzten.
    Diese Hoffnung erfüllte sich – teilweise. Bob Barclay bekam es während seiner beruflichen Laufbahn kein weiteres Mal mit glatzköpfigen Indios und seltsamen Männern in Weiß zu tun. Allerdings endete diese Laufbahn auch nicht in ein paar Jahren mit Barclays Pensionierung, sondern schon drei Tage später – als er wegen der Veruntreuung von über einhunderttausend Pfund Sterling fristlos gefeuert und angeklagt wurde.
    Von einem obskuren Mann in Weiß und einem Indio im teuren Anzug, an die Barclay das Geld ordnungsgemäß ausgezahlt zu haben schwor, war auf den Aufnahmen der Überwachungskameras keine Haarspitze zu sehen …
    ***
    Schottland
    Zwei Tage hatte Tom mit Alejandro an dem Wasserflugzeug gearbeitet. Und es war alles so verlaufen, wie er es sich erhofft hatte – die Kiste lief wieder, und Jandro hatte nicht nur seine Freude an der Arbeit gehabt, sie waren sich auch ein bisschen näher gekommen.
    Natürlich stand er in Alejandros Augen auch jetzt noch nicht auf einer Stufe mit Maria Luisa. So weit würde es auch nie kommen, da gab Tom sich keinen Illusionen hin. Aber wenn Jandro ihn als Person anerkannte, die zumindest Teil seiner eng gesteckten autistischen Welt war, dann war das ein Schritt so groß, wie Tom es sich nur wünschen konnte.
    Sie hatten den Motor der Cessna 206 komplett zerlegt, die Teile auf einer Plane ausgebreitet und gereinigt, und dann hatten sie alles wieder zusammengebaut – wobei Tom dem jungen Mann den Löwenanteil überlassen, aber immer darauf geachtet hatte, ihn nicht zu überfordern. Jandro war in seiner Arbeit aufgegangen. Der Motor war für ihn in der Tat weniger Motor gewesen als vielmehr ein Puzzle, das es zusammenzusetzen galt.
    Jetzt erfüllte das Dröhnen des Motors die zum Meer hin offene Grotte unter Oake Dún, und Tom ließ Jandro, der neben ihm auf dem Copilotensitz saß, kurz Vollgas geben. Der Junge jauchzte und lachte und Tom spürte vor Rührung ein Brennen in den Augen.
    Als sie den Motor abstellten und ausstiegen, um die Werkzeuge wegzuräumen, die sie wie auch den Treibstoff in einem Nebenraum der Höhle gefunden hatten, hielt Jandro kurz inne. Als lauschte er

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