08-Die Abschussliste
Staatsauftrag beworben und die gesamte Einrichtung sowie sämtliche Armaturen bis hin zu Waschbecken, Handtuchhaltern und Kloschüsseln als Luftfracht herübertransportiert.
Ich rasierte mich, ging unter die Dusche und zog einen frischen Kampfanzug an. Klopfte fünf Minuten vor der verabredeten Zeit an Summers Tür. Sie öffnete mir. Auch sie hatte geduscht und sich umgezogen. Das Zimmer sah wie meines aus, nur roch es bereits wie das einer Frau. In der Luft hing ein zarter Duft von Eau de Toilette.
Den O Club fanden wir ohne Schwierigkeiten. Seine luxuriösen Räume mit Parkett und hohen Stuckdecken nahmen das halbe Erdgeschoss eines der Flügel des Hauptgebäudes ein. Hier gab es einen Salon, eine Bar und einen Speisesaal. Wir fanden Swan in der Bar. Er befand sich in Gesellschaft eines Oberstleutnants, der an seinem Dienstanzug ein Infanteriekampftruppenabzeichen trug. Das war an diesem Panzerstandort ein ungewöhnlicher Anblick. Auf seinem Namensschild
stand Simon . Er machte sich mit uns bekannt. Simon erzählte uns, er sei als Verbindungsoffizier von der Infanterie zur Panzertruppe abgeordnet. Im Gegenzug sei ein Panzermann als Verbindungsoffizier zur Infanterie in Heidelberg abgestellt.
»Sind Sie schon lange hier?«, fragte ich ihn.
»Zwei Jahre«, antwortete er, worüber ich froh war. Ich brauchte ein paar Hintergrundinformationen, und Swan wusste über den hiesigen Standort nicht mehr als ich über Fort Bird. Dann wurde mir klar, dass Simon nicht zufällig zu unserer kleinen Gruppe gestoßen war. Swan, ein Bursche, der mitdachte, musste sich ausgerechnet haben, was ich wollte, und hatte dafür gesorgt, dass ich bekommen würde, was ich brauchte.
»Freut mich, Sie kennen zu lernen, Oberstleutnant«, sagte ich und nickte Swan dabei dankend zu. Wir tranken kaltes amerikanisches Bier aus hohen Gläsern und gingen dann in den Speisesaal. Swan hatte uns einen Platz reservieren lassen. Der Steward führte uns an einen Ecktisch. Ich setzte mich so, dass ich den gesamten Saal überblicken konnte. Aber ich entdeckte niemanden, den ich kannte. Vassell war an diesem Abend nicht da. Auch Coomer nicht.
Das Essen war absolut durchschnittlich. Wir hätten in jedem anderen O Club der Welt sein können. O Clubs sind nicht dazu da, um ihren Gästen die einheimische Küche nahe zu bringen. Sie sollen ihnen das Gefühl vermitteln, zu Hause zu sein - mitten in der Army-Version Amerikas. Es gab wie immer Fisch oder Steak. Der Fisch stammte vermutlich aus Europa, aber das Steak würde über den Atlantik eingeflogen worden sein. Irgendein Politiker in einem der Viehzüchterstaaten hatte sicher einen vorteilhaften Deal mit dem Pentagon abgeschlossen.
Wir machten eine Weile Konversation. Meckerten über Gehälter und Sozialleistungen. Sprachen über Leute, die wir kannten. Erwähnten das Unternehmen »Gerechte Sache« in Panama. Oberstleutnant Simon berichtete, er sei vor zwei Tagen in Berlin gewesen und habe sich einen Betonsplitter von der Berliner Mauer gesichert. Er erzählte, er beabsichtige, ihn in durchsichtigen
Kunststoff einschweißen zu lassen, um ihn eines Tages als Familienerbstück weitergeben zu können.
»Kennen Sie Major Marshall?«, fragte ich ihn.
»Ziemlich gut«, antwortete er.
»Was ist er genau?«
»Ist das eine dienstliche Frage?«
»Eigentlich nicht.«
»Er ist ein Planer. Im Grunde genommen ein Stratege, ein Mann, der langfristig denkt. General Kramer hat anscheinend Gefallen an ihm gefunden und ihn zu seinem Nachrichtenoffizier gemacht.«
»Kommt er denn aus dieser Ecke?«
»Offiziell nicht. Aber er war routinemäßig dorthin abkommandiert, vermute ich.«
»Er gehört also dem Führungsteam an? Ich habe mitbekommen, wie Kramer, Vassell und Coomer im selben Atemzug erwähnt wurden, aber Marshall war nie dabei.«
»Er gehört zum Team«, sagte Simon. »Das steht fest. Aber Sie wissen ja, wie hohe Stabsoffiziere sind. Sie brauchen einen Burschen, aber sie wollen’s nicht zugeben. Deshalb behandeln sie ihn ein bisschen schlecht. Er holt und bringt und fährt sie herum, aber wenn’s ernst wird, fragen sie ihn doch nach seiner Meinung.«
»Rückt er nach dem Tod Kramers jetzt auf? Vielleicht in Coomers Stellung?«
Simon verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich. Wie alle anderen ist er durch und durch Panzerfanatiker. Aber kein Mensch weiß, wie’s weitergehen wird. Für sie hätte Kramers Tod wirklich zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können.«
»Die Welt verändert sich«, sagte
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