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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Überall gab es kleine Läden mit Wohnungen darüber. Die Schaufenster lagen voller glitzernder Waren. Die weißen Straßenschilder waren mit altertümlichen schwarzen Buchstaben beschriftet, die man Mühe hatte zu entziffern. Zwischendurch waren kleine Hinweisschilder der U.S. Army angebracht. Wir folgten den Pfeilen zum XII. Korps, verließen das bebaute Gebiet und fuhren einige Kilometer weit übers Land. Dieser Streifen kam mir wie ein Burggraben vor, ein Niemandsland. Der östliche Abendhimmel vor uns sah dunkel aus.
    Das XII. Korps war in einem typischen Bau aus glanzvolleren Zeiten untergebracht. In den dreißiger Jahren hatte irgendein Industrieller ein vierhundert Hektar großes Werk auf der grünen Wiese erbaut. Es bestand aus einer imposanten Firmenzentrale und langen Reihen von Fabrikhallen, die sich Hunderte von Metern weit dahinter erstreckten. Die Fabrikhallen waren
bei den wiederholten Luftangriffen in Grund und Boden gebombt worden. Die Zentrale hatte den Krieg jedoch nur teilweise beschädigt überstanden, und 1945 quartierte sich dort irgendeine abgekämpfte US-Panzerdivision ein. Ausgehungerte Frankfurterinnen in verblichenen Baumwollkleidern, zu denen sie zu Turbanen gebundene Schals trugen, wurden herangeschafft, um die Trümmer zu beseitigen, wofür es Lebensmittel gab. Sie arbeiteten mit Schaufeln und Schubkarren. Dann renovierten Pioniere der U.S. Army das Gebäude und transportierten die Trümmer ab. Das Pentagon bewilligte in mehreren Tranchen riesige Geldbeträge für den weiteren Ausbau. Schon 1953 war dieses Hauptquartier ein Prunkstück. Es gab Fahnenmasten, Schilderhäuschen und Wachlokale, Kantinen, ein Lazarett und einen PX-Laden, Unterkünfte, Werkstätten und Lagerhäuser. Und vor allem gab es vierhundert Hektar ebenes Land, das schon 1953 mit amerikanischen Panzern zugestellt war. Alle in Richtung Osten ausgerichtet, jederzeit bereit, loszurollen und die Lücke bei Fulda zu verteidigen.
    Als wir siebenunddreißig Jahre später ankamen, war wegen der Dunkelheit nicht viel zu sehen. Aber ich wusste, dass sich nichts Wesentliches verändert haben würde. Die M4 Sherman, die den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatten, waren längst verschrottet - bis auf zwei bildschöne Exemplare, die symbolträchtig auf beiden Seiten des Haupttors auf halber Höhe landschaftsgärtnerisch gestalteter Betonrampen standen - Bug hoch, Heck tief, als wären sie noch in Bewegung, als überwänden sie einen Hügelkamm. Sie wurden theatralisch angestrahlt. Man hatte sie wundervoll in glänzendem Grün mit reinweißen Sternen an Bug und Turm lackiert. So sahen sie viel besser aus als ursprünglich. Hinter ihnen erstreckte sich die lange Einfahrt mit weiß angemalten Randsteinen und der beleuchteten Fassade der ehemaligen Firmenzentrale, die jetzt das Stabsgebäude war. Dahinter würden die Abstellplätze liegen, auf denen Kampfpanzer M1A1 Abrams dicht an dicht standen: Hunderte von Panzern zum Stückpreis von fast vier Millionen Dollar.

    Wir stiegen aus dem Taxi, überquerten den Gehsteig und traten ans Wachlokal am Haupttor. Meine Special-Unit-Plakette verschaffte uns Einlass. Außer zum inneren Ring des Pentagon hatten wir damit Zutritt zu sämtlichen Einrichtungen der U.S. Army. Dann gingen wir mit unseren Reisetaschen die Einfahrt entlang.
    »Schon mal hier gewesen?«, fragte Summer mich.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich war in Heidelberg bei der Infanterie«, sagte ich. »Schon oft.«
    »Liegt das in der Nähe?«
    »Nicht weit von hier.«
    Zum Eingang führte eine breite Steintreppe hinauf. Das Gebäude mutete wie das Kapitol eines kleinen US-Bundesstaats an und war tadellos gepflegt. Wir stiegen die Treppe empor und betraten die Eingangshalle. Gleich hinter der Tür saß ein Soldat an einem Schreibtisch. Kein Militärpolizist, nur ein Schreiber vom XII. Korps. Wir zeigten unsere Dienstausweise vor.
    »Hat Ihre Unterkunft für durchreisende Offiziere Platz für uns?«, fragte ich.
    »Sir, kein Problem«, antwortete er.
    »Zwei Zimmer«, sagte ich. »Eine Nacht.«
    »Ich melde Sie schon mal an«, meinte er. »Folgen Sie einfach den Schildern.«
    Er wies in den Hintergrund der Eingangshalle. Dort befanden sich weitere Türen, die in den Komplex führten. Ich blickte auf meine Uhr. Sie zeigte genau Mittag an. Ich hatte vergessen, sie umzustellen. Achtzehn Uhr in Westdeutschland. Bereits stockfinster.
    »Ich müsste Ihren MP-Exekutivoffizier sprechen«, sagte ich. »Ist er noch in seiner Dienststelle?«
    Der

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