08-Die Abschussliste
ich.
»Und was für eine Welt das war!«, sagte Simon. »Im Prinzip von A bis Z Kramers Welt. Er hat West Point neunzehnhundertzweiundfünfzig absolviert, und schon im Jahr darauf waren Standorte wie dieser hier fertig ausgebaut und sind fast vier Jahrzehnte lang der Mittelpunkt seines Universums geblieben.
Diese Standorte sind so einbetoniert, wie Sie’s nicht für möglich halten würden. Wissen Sie, wer hierzulande am meisten geleistet hat?«
»Wer?«
»Nicht die Panzertruppe, nicht die Infanterie. Auf diesem Kriegsschauplatz geben die Heerespioniere den Ton an. Der alte M4-Sherman-Panzer hat achtunddreißig Tonnen gewogen und war zwei Meter fünfundsiebzig breit. Jetzt sind wir beim M1A1 Abrams, der bei siebzig Tonnen Gewicht drei Meter fünfunddreißig breit ist. Im Lauf dieser vierzigjährigen Entwicklung hatten die Pioniere ständig Arbeit. Sie haben überall in Westdeutschland Straßen verbreitert, Hunderte von Meilen weit. Sie haben Brücken verstärkt. Teufel, sie haben Straßen und Brücken gebaut . Viele Dutzende. Soll ein Strom von Siebzigtonnenpanzern nach Osten in den Kampf rollen, muss man rechtzeitig dafür sorgen, dass Straßen und Brücken sie tragen können.«
»Okay«, sagte ich.
»Milliarden Dollar«, fuhr Simon fort. »Und sie wussten natürlich, welche Straßen und Brücken sie sich ansehen mussten. Sie kannten die Ausgangspunkte und das Zielgebiet. Sie haben mit den Planern gesprochen, sich die Landkarten angesehen und mit Beton und Baustahl an die Arbeit gemacht. Dann haben sie überall entlang der Strecken Rastplätze angelegt: bombensichere Treibstofflager, Munitionsdepots, Werkstätten, Hunderte solcher Plätze, alle an festgelegten Routen. Also sind wir hier regelrecht eingegraben, verankert. Die Schlachtfelder des Kalten Krieges sind buchstäblich in Stein gehauen, Reacher.«
»Die Leute werden sagen, dass wir investiert haben und die Investitionen sich ausgezahlt haben.«
Simon nickte. »Und damit haben sie Recht. Aber was kommt als Nächstes?«
»Weitere Investitionen«, antwortete ich.
»Genau«, sagte er. »Wie damals bei der Navy, als die großen Schlachtschiffe durch Flugzeugträger ersetzt wurden. Das Ende und der Beginn einer Ära. Die Kampfpanzer Abrams gleichen
Schlachtschiffen. Sie sind imposant, aber leider veraltet. Einsetzen lassen sie sich praktisch nur auf entsprechend ausgebauten Straßen, die in vorher festgelegte Richtungen führen.«
»Sie sind mobil«, entgegnete Summer. »Wie jeder Panzer.«
»Nicht besonders mobil«, meinte Simon. »Wo werden die nächsten Kriege stattfinden?«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wünschte mir, Joe wäre hier. Er verstand sich auf all diesen geopolitischen Kram.
»Im Nahen Osten?«, schlug ich vor. »Vielleicht im Irak oder im Iran. Beide haben sich wieder erholt, sie werden neue Betätigungsfelder suchen.«
»Oder auf dem Balkan«, sagte Swan. »Zerfällt die Sowjetunion, bleibt dort ein Dampfkochtopf zurück, der seit fünfundvierzig Jahren darauf wartet, zu explodieren.«
»Okay«, erklärte Simon. »Sehen wir uns den Balkan an. Beispielsweise Jugoslawien. Dort geht’s bestimmt zuerst rund. Vorläufig warten dort alle nur auf den Startschuss. Was machen wir dann?«
»Wir entsenden Luftlandetruppen«, erwiderte Swan.
»Okay«, sagte Simon wieder. »Wir setzen die Zweiundachtzigste und die Hunderterste ein. Sie sind leicht bewaffnet, also müssten wir’s schaffen, innerhalb einer Woche drei Bataillone zu verlegen. Aber was machen wir, wenn wir dort sind? Wir stellen kleine Hindernisse dar, sonst nichts. Wir müssen auf schwere Waffen warten. Und das ist das erste Problem. Ein Kampfpanzer Abrams wiegt siebzig Tonnen. Den kann kein Flugzeug transportieren. Man muss ihn auf einen Zug verladen, dann mit dem Schiff weiterbefördern. Und das ist noch die gute Nachricht. Weil man nicht einfach nur den Panzer verschiffen kann. Für jede Tonne Panzergewicht muss man vier Tonnen Treibstoff und Ausrüstung mitschicken. Diese Saurier schlucken vierhundertfünfzig Liter auf hundert Kilometer. Und sie brauchen Ersatzmotoren, Munition, riesige Wartungsmannschaften. Ihre Nachschubkolonne ist eine Meile lang. Will man genügend Panzerbrigaden verschiffen, um wirklich schlagkräftig
zu sein, benötigt man mindestens ein halbes Jahr Vorlauf - wenn Tag und Nacht geschuftet wird.«
»Und in dieser Zeit sitzen die Luftlandetruppen echt in der Scheiße«, bemerkte ich.
»Allerdings«, fuhr Simon fort. »Das wären meine Jungs, und
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