08-Die Abschussliste
holte zu einer Geraden gegen meinen Kopf aus. Das sollte ein gewaltiger Hieb werden. Hätte er mich getroffen, wäre ich vermutlich zu Boden gegangen. Aber bevor er zuschlagen konnte, machte ich einen Schritt auf ihn zu und traf seine rechte Kniescheibe mit meinem rechten Absatz. Wie jeder Sportler weiß, ist das Knie ein empfindliches Gelenk. Er belastete es bereits mit hundertdreißig Kilo, und nun knallte ich meine hundert Kilo dagegen. Die Kniescheibe zersplitterte, und das Bein knickte nach hinten ein. Er brach so nach vorn zusammen, dass seine Stiefelspitze die Vorderseite des Oberschenkels traf. Dabei schrie er gellend auf. Ich trat zurück und lächelte. Er schießt, er trifft.
Ich machte wieder einen Schritt nach vorn und sah mir das Knie an. Es war übel zugerichtet. Zersplitterte Knochen, gerissene Sehnen, gequetschte Knorpel. Ich überlegte, ob ich ihm noch einen Tritt verpassen sollte, aber das war wirklich nicht nötig. Er würde sich einen Stock besorgen müssen, sobald man ihn aus der Orthopädie entließ. Er würde sich einen fürs Leben zulegen müssen. Holz, Aluminium, kurz, lang, seine Wahl.
»Ich komme wieder und nehme mir das andere vor«, sagte ich, »wenn hier was passiert, das mir nicht gefällt.«
Vermutlich hörte er mich nicht. Er wand sich keuchend in einer öligen Pfütze auf dem Asphalt und versuchte wimmernd, sein Knie in eine weniger schmerzhafte Stellung zu bringen. Aber in dieser Beziehung hatte er leider Pech. Das würde warten müssen, bis er auf dem Operationstisch lag.
Die Farmer überlegten angestrengt, auf welche Seite sie sich schlagen sollten. Beide wirkten ziemlich dämlich. Aber einer war dämlicher als der andere. Begriffsstutziger. Er ballte seine großen roten Hände zu Fäusten. Ich war mit zwei raschen Schritten bei ihm und traf sein Gesicht mit einem Kopfstoß, um ihm bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Er ging zu Boden, blieb in Gegenrichtung neben dem Fettsack ausgestreckt liegen, während sein Kumpel hastig hinter den nächsten Pick-up zurückwich. Ich nahm mein Jackett vom Außenspiegel des Plymouth und schlüpfte hinein. Zog meine Armbanduhr aus der Innentasche. Legte sie wieder an. Die Soldaten tranken ihr Bier und beobachteten mich mit ausdruckslosen Gesichtern. Sie waren weder zufrieden noch enttäuscht. Der Ausgang dieses Kampfes hatte sie nicht sonderlich interessiert. Wer von uns auf dem Asphalt liegen blieb, war ihnen letztlich egal.
Ich sah Leutnant Summer am Rand der Menge stehen und schlängelte mich durch Autos und Leute auf sie zu. Sie wirkte angespannt und atmete schwer. Ich erriet, dass sie zugesehen und sich vermutlich bereitgehalten hatte, notfalls einzugreifen und mir beizustehen.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Der Dicke hat eine Frau geschlagen, die in meinem Auftrag Fragen gestellt hat. Sein Kumpel ist nicht schnell genug abgehauen.«
Sie betrachtete die beiden, dann richtete sie ihren Blick wieder auf mich. »Was hat die Frau gesagt?«
»Dass gestern Abend niemand ein Problem gehabt hat.«
»Der Junge im Motel bestreitet weiter, dass Kramer eine Nutte bei sich im Zimmer hatte. Davon geht er nicht ab.«
Ich hörte Sin sagen: Deinetwegen hab ich umsonst Prügel gekriegt. Scheißkerl!
»Was hat ihn dann dazu gebracht, im Zimmer nachzusehen?«
Summer verzog das Gesicht. »Das war natürlich auch meine große Frage.«
»Hat er sie beantworten können?«
»Anfangs nicht. Dann meinte er, er habe nachgesehen, weil er ein Auto schnell wegfahren hörte.«
»Was für ein Auto?«
»Ein schwerer Wagen, der mit aufheulendem Motor davongerast ist. Als ob jemand in Panik geraten sei.«
»Hat er ihn gesehen?«
Summer schüttelte den Kopf.
»Das verstehe ich nicht«, sagte ich. »Ein Auto lässt auf ein Callgirl schließen, und ich bezweifle, dass es hier viele davon gibt. Und wozu hätte Kramer ein Callgirl gebraucht, wenn’s hier in der Bar jede Menge Nutten gibt?«
Summer schüttelte weiter den Kopf. »Der Junge sagt, der Wagen habe ein typisches Motorengeräusch gehabt. Sehr laut. Und es war kein Benzin-, sondern ein Dieselmotor. Genau dasselbe Motorengeräusch will er wenig später noch mal gehört haben.«
»Wann?«
»Als Sie mit Ihrem Humvee weggefahren sind.«
»Was?«
Summer blickte mir ins Gesicht. »Er sagt, dass er in Kramers Zimmer nachgesehen hat, weil er ein Militärfahrzeug in Panik wegrasen hörte.«
4
Wir gingen ins Motel zurück und brachten den Jungen dazu, uns die ganze Geschichte noch einmal zu
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