08-Die Abschussliste
weg.
»Scheißkerl.«
»Hast du das Mädchen schon gefunden?«, fragte ich.
Sie sah mir ins Gesicht.
»Es hat kein Mädchen gegeben«, antwortete sie. »Ich hab überall rumgefragt. Niemand hat gestern Abend ein Problem gehabt. Absolut niemand.«
Ich zögerte kurz. »Irgendjemand nicht da, der hier sein sollte?«
»Wir sind alle hier«, erwiderte sie. »Jede muss das Geld verdienen, das sie für Weihnachten ausgegeben hat.«
Ich wartete.
»Deinetwegen hab ich umsonst Prügel gekriegt.«
»Sorry«, sagte ich. »Tut mir echt Leid, dass das passiert ist.«
»Hau ab«, wiederholte sie, ohne mich anzusehen.
»Okay.«
»Scheißkerl.«
Ich ließ sie dort sitzen, verließ die Garderobe und bahnte mir einen Weg durch die Menge um die Bühne herum, dann an die Bar und durch die Engstelle im Eingangsbereich. Der Kerl mit dem hässlichen Gesicht saß wieder im Schatten hinter der Kasse. Ich schätzte ab, wo sein Kopf sich befand, holte mit der flachen rechten Hand aus und traf sein Ohr mit einem Schlag, der ihn umwarf.
»Sie«, sagte ich. »Draußen.«
Ich wartete nicht auf ihn. Stieß nur die Tür auf und trat in die Nacht hinaus. Auf dem Parkplatz hatte sich eine kleine Menschenmenge angesammelt. Lauter Soldaten. Die Männer, die sich aus dem Lokal verkrümelt hatten, nachdem ich aufgetaucht war. Sie standen in der Kälte herum, lehnten an Autos und tranken Bier aus langhalsigen Flaschen. Von ihnen hatte ich nichts zu befürchten. Um sich mit einem Militärpolizisten anzulegen, hätten sie stinkbesoffen sein müssen. Aber ich konnte von ihnen auch keine Unterstützung erwarten. Ich gehörte nicht zu ihnen. Ich war auf mich selbst gestellt.
Hinter mir flog die Tür krachend auf. Der Fettsack kam herausgestürmt, mit zwei Einheimischen im Schlepptau, die aussahen wie Farmer. Wir traten alle in den Kreis aus gelblichem Licht unter einem der Lichtmasten und starrten einander an. In der kalten Nachtluft bildete unser Atem kleine Wolken. Niemand sprach. Lange Vorreden waren überflüssig. Ich konnte mir denken, dass der Parkplatz schon Schauplatz vieler Schlägereien gewesen war. Auch diese würde sich nicht von den anderen unterscheiden und ebenso enden wie alle bisherigen: mit einem Sieger und einem Verlierer.
Ich zog mein Uniformjackett aus und hängte es über den Außenspiegel des nächsten Wagens. Ein zehn Jahre alter Plymouth, guter Lack, guter Chrom. Ein Liebhaberfahrzeug. Ich sah den Sergeant von den Special Forces, mit dem ich gesprochen hatte, ins Freie kommen. Er erwiderte kurz meinen Blick, trat dann in den Schatten und blieb zwischen seinen Männern bei den Autos stehen. Ich nahm meine Armbanduhr ab, machte kehrt und ließ sie in die Innentasche meines Jacketts gleiten. Dann drehte ich mich wieder um. Musterte meinen Gegner. Ich hatte vor, ihn übel zuzurichten, wollte, dass Sin wusste, dass ich für sie eingetreten war. Aber es hatte keinen Zweck, mir sein Gesicht vorzunehmen, das war bereits mehr als übel zugerichtet. Viel schlimmer konnte es nicht mehr werden. Und ich wollte ihn für längere Zeit außer Gefecht setzen. Er sollte nicht zurückkommen und seinen Frust an den Mädchen auslassen, nur weil er mir nichts anhaben konnte.
Er hatte einen gewaltigen Brustkorb und Übergewicht, deshalb rechnete ich mir aus, meine Hände überhaupt nicht einsetzen zu müssen. Außer vielleicht gegen die Farmer, falls sie sich einmischten. Was sie hoffentlich nicht taten. Ich wollte keine Massenschlägerei anzetteln. Doch die Wahl lag bei ihnen. Sie konnten sich raushalten oder auf seiner Seite in den Kampf eingreifen.
Ich war schätzungsweise fünfzehn Zentimeter größer als der Typ mit dem hässlichen Gesicht, aber ungefähr dreißig Kilo
leichter. Und zehn Jahre jünger. Ich beobachtete, wie er die Lage peilte und zu dem Schluss kam, es sei in Ordnung. Ich vermutete, dass er sich für einen gefährlichen Schläger hielt und, vielleicht durch meinen Dienstanzug verleitet, annahm, ich würde mich wie ein Offizier und Gentleman benehmen. Sehr korrekt, ein bisschen gehemmt.
Sein Fehler.
Er kam die Fäuste schwingend auf mich zugestürmt. Breiter Brustkorb, kurze Arme, wenig Reichweite. Ich tänzelte zur Seite und ließ ihn ins Leere laufen. Er kam wieder zurück. Ich schlug seine Faust weg und rammte ihm einen Ellbogen ins Gesicht. Nicht besonders fest. Ich wollte nur seinen Schwung abbremsen, damit er einen Augenblick lang reglos vor mir stand.
Er verlagerte sein gesamtes Gewicht auf das hintere Bein und
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