08-Die Abschussliste
beobachtete, wie sie zu dem Samtvorhang hinüberblickte. Als sähe sie hindurch und quer durch den großen Raum bis zur Kasse am Eingang.
»Seinetwegen?«, wollte ich wissen. »Ich sorge dafür, dass er keine Schwierigkeiten macht.«
»Er will nicht, dass wir mit Cops reden.«
»Diese Sache ist heikel«, sagte ich. »Der Kerl war ein wichtiger Mann.«
»Ihr haltet euch alle für wichtig.«
»Gibt’s hier auch Mädchen aus Kalifornien?«
»Ungefähr fünf bis sechs.«
»Hat eines von ihnen früher in Fort Irwin gearbeitet?«
»Keine Ahnung.«
»Pass auf, der Deal sieht folgendermaßen aus«, erklärte ich. »Ich gehe jetzt an die Bar und bestelle mir noch ein Bier. Ich nehme mir zehn Minuten Zeit, es zu trinken. Du bringst mir die Frau, die gestern Abend das Problem hatte. Oder du zeigst mir,
wo ich sie finden kann. Bestell ihr, dass es kein wirkliches Problem gibt und niemand Scherereien mit den Cops bekommt. Du wirst sehen, dass sie das versteht.«
»Oder?«
»Oder ich lasse den Laden hier räumen und brenne ihn nieder. Dann könnt ihr euch alle einen neuen Job suchen.«
Ihr Blick wanderte wieder zu dem Samtvorhang.
»Um den Dicken brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, sagte ich. »Tobt oder schimpft er, schlage ich ihm die Nase noch mal ein.«
Sie saß reglos da.
»Diese Sache ist wichtig«, sagte ich. »Bringen wir sie jetzt hinter uns, bekommt niemand Schwierigkeiten. Tun wir’s nicht, hat jemand ein großes Problem am Hals.«
»Ich weiß nicht recht«, gab sie zu bedenken.
»Sag’s den anderen. Zehn Minuten.«
Ich schob sie von mir weg und sah ihr nach, wie sie durch den Samtvorhang verschwand. Folgte ihr eine Minute später und kämpfte mich zur Bar durch. Ließ mein Jackett dabei absichtlich offen, um zu zeigen, dass ich nicht im Dienst war. Ich wollte nicht allen den Abend verderben.
Ich verbrachte zwölf Minuten damit, ein weiteres überteuertes Bier zu trinken. Beobachtete, wie die Bedienungen und die Nutten den Raum abgrasten. Verfolgte, wie der Typ mit dem hässlichen Gesicht sich durch die Menge schob, seinen Blick umherschweifen ließ und alles kontrollierte. Ich wartete. Meine neue Freundin tauchte nicht wieder auf, und ich konnte sie auch nirgends sehen. Das Lokal war überfüllt und dunkel. Die Musik wummerte unaufhörlich. Stroboskoplicht wechselte mit Schwarzlicht, und die gesamte Szene mutete chaotisch an. Die Ventilatoren brummten, aber die Luft blieb heiß und stickig. Ich fühlte mich müde und spürte, dass ich Kopfschmerzen bekam. Ich glitt von meinem Barhocker und unternahm einen Rundgang durchs Lokal. Konnte die Blondine nirgends finden und
drehte eine zweite Runde. Fand sie noch immer nicht. Der Sergeant von den Special Forces, mit dem ich zuvor gesprochen hatte, hielt mich während der dritten Runde an.
»Suchen Sie Ihre Freundin?«, fragte er.
Ich nickte. Er deutete auf die Tür zur Garderobe.
»Ich glaube, Sie haben sie in Schwierigkeiten gebracht«, sagte er.
»Was für Schwierigkeiten?«
Er hielt nur die linke Handfläche hoch und schlug mit der rechten Faust hinein.
»Und Sie haben nicht eingegriffen?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Schultern.
»Sie sind der Cop, nicht ich.«
Die Tür zur Garderobe war ein einfaches, schwarz gestrichenes Sperrholzrechteck. Ich schenkte mir das Anklopfen, weil ich davon ausging, dass die Frauen, die diesen Raum benutzten, nicht allzu prüde waren. Ich zog sie einfach auf und trat ein. Drinnen brannte normales Licht. Ich sah Stapel von Kleidungsstücken und roch alle möglichen Parfüms. An den Wänden standen Schminktische, deren Spiegel wie im Theater mit Glühbirnen umrahmt waren. Dazwischen ein altes rotes Samtsofa, auf dem Sin wie ein Häufchen Elend hockte und heulte. Auf ihrer linken Wange zeichneten sich tiefrot die Umrisse einer Hand ab. Ihr rechtes Auge war zugeschwollen. Ich tippte auf einen Schlag erst mit der Handfläche, dann mit dem Handrücken. Zwei brutale Schläge. Sie wirkte ziemlich mitgenommen. Der linke Schuh war ihr vom Fuß gerutscht. Zwischen den Zehen konnte ich Einstiche sehen. Süchtige, die beruflich viel Haut zeigen müssen - Models, Nutten, Schauspielerinnen -, spritzen sich oft dort. Das ist am unauffälligsten.
Ich fragte nicht, wie es ihr ging. Das wäre eine dämliche Frage gewesen. Sie würde es überleben, aber eine Woche lang nicht arbeiten können. Ich stand einfach nur da, bis sie mich mit dem unverletzten linken Auge erkannte.
»Hau ab!«, sagte sie.
Sie schaute
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