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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Falls es noch erkennbar ist.«
    »Wozu sollte ich ihn mir ansehen?«
    »Das habe ich Ihnen gesagt. Ich wollte Ihre Meinung hören.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich eine Meinung dazu haben könnte?«
    »Ich hatte den Eindruck, dort gäbe es Aspekte, die Sie verstehen würden.«
    »Ich kann kein Täterprofil erstellen.«
    »Das erwarte ich auch nicht. Ich brauche nur schnell etwas Input und will wissen, ob ich in die richtige Richtung ermittle.«
    Sie nickte. Strich sich die Haare aus der Stirn.
    »Die auf der Hand liegende Schlussfolgerung ist, dass er homosexuell war«, sagte sie. »Dass er vielleicht deshalb ermordet wurde. Oder falls nicht, dann von Leuten, die sich dieser Tatsache voll bewusst waren.«
    Ich nickte.
    »Er ist kastriert worden«, sagte sie.
    »Das haben Sie überprüft?«
    »Ich habe ihn etwas zur Seite gedreht«, antwortete sie. »Tut mir Leid. Ich weiß, dass Sie mich gebeten haben, ihn nicht anzufassen.«
    Ich musterte sie. Sie hatte keine Latexhandschuhe getragen,
schien ein robuster Typ zu sein. Vielleicht war ihr Ruf als Bücherwurm unverdient.
    »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, sagte ich.
    »Ich vermute, dass Sie seine Hoden und seinen Penis im Mund finden werden. Ich bezweifle, dass seine Backen sonst so angeschwollen gewesen wären. Aus der Sicht eines homophoben Angreifers ist das eine offenkundige symbolische Aussage. Abschneiden der von der Norm abweichenden Organe, dann die Simulierung von Oralsex.«
    Ich nickte.
    »Das gilt auch für seine Nacktheit und die verschwundenen Erkennungsmarken«, fuhr sie fort. »Die Army von dem Abweichler zu entfernen ist das Gleiche wie den Abweichler aus der Army zu entfernen.«
    Ich nickte.
    »Die Einführung eines fremden Objekts spricht für sich selbst«, sagte sie. »In den After.«
    Ich nickte.
    »Und dazu kommt die Flüssigkeit auf seinem Rücken.«
    »Joghurt«, sagte ich.
    »Vermutlich Erdbeere«, erklärte sie. »Oder auch Himbeere. Wie in dem alten Witz. Wie simuliert ein Schwuler einen Orgasmus?«
    »Er stöhnt ein bisschen«, erwiderte ich. »Und dann spritzt er etwas Joghurt auf den Rücken seines Partners.«
    »Ja«, sagte Norton. Sie lächelte nicht, beobachtete mich, um festzustellen, ob ich’s tat.
    »Was ist mit den Schlägen und Schnittwunden?«, wollte ich wissen.
    »Hass«, sagte sie.
    »Und der Gürtel um seinem Hals?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Der lässt auf autoerotische Techniken schließen. Absichtlich erzeugte Atemnot soll die Lust beim Orgasmus steigern.«
    Ich nickte.

    »Okay«, sagte ich.
    »Okay, was?«
    »Das waren Ihre ersten Eindrücke. Haben Sie sich daraus eine Meinung gebildet?«
    »Haben Sie eine dazu?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte ich.
    »Sie zuerst.«
    »Ich halte das Ganze für einen Schwindel.«
    »Weshalb?«
    »Zu dick aufgetragen«, sagte ich. »Insgesamt treten hier sechs Elemente auf: die Nacktheit, die verschwundenen Erkennungsmarken, die Genitalien, der Ast, der Joghurt und der Gürtel. Jeweils zwei davon hätten genügt. Okay, meinetwegen drei. Man könnte glauben, jemand hätte versucht, etwas zu unterstreichen, statt es einfach nur zu tun. Vielleicht haben sie sich etwas zu sehr angestrengt.«
    Norton schwieg.
    »Zu dick aufgetragen«, wiederholte ich. »Als würde man jemanden erschießen, dann erwürgen, dann erstechen, dann ertränken, dann ersticken, dann erschlagen. Mir kommt’s vor, als hätten sie einen Weihnachtsbaum mit Hinweisen geschmückt.«
    Sie schwieg und beobachtete mich weiter so als versuchte sie, mich einzuschätzen.
    »Ich habe gewisse Zweifel wegen des Gürtels«, sagte sie. »Autoerotik ist nicht nur auf Homosexuelle beschränkt. Physiologisch gesehen haben alle Männer die gleichen Orgasmen, ob sie nun schwul sind oder nicht.«
    »Das Ganze war vorgetäuscht.«
    Jetzt nickte auch sie.
    »Das glaube ich auch«, sagte sie. »Sie sind ein cleverer Kerl.«
    »Für einen Cop?«
    Sie lächelte nicht. »Als Offiziere wissen wir jedoch, dass es illegal ist, Homosexuelle in den Streitkräften dienen zu lassen. Deshalb sollten wir darauf achten, dass das Bestreben, die Army in Schutz zu nehmen, nicht unseren Blick trübt.«

    »Mein Job ist es, die Army zu schützen«, sagte ich.
    »Genau«, meinte Norton.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Aber ich nehme keine Position ein. Ich behaupte nicht, dieser Kerl sei eindeutig schwul gewesen. Möglicherweise war er’s. Mir ist das egal. Und vielleicht haben die Angreifer davon gewusst, vielleicht auch nicht. Ich glaube,

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