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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Lippen«, sagte er. »Die Ermittlungen wegen der Ermordung des Schwulen werden eingestellt. Sie schreiben in Ihrem Bericht, dass er bei der Ausbildung tödlich verunglückt ist. Bei einer Nachtübung, einem Trainingslauf, einer Einsatzübung, irgendwas. Er ist gestolpert, hingeknallt und auf den Kopf gefallen. Akte geschlossen. Das ist ein ausdrücklicher Befehl.«
    »Den brauche ich schriftlich«, sagte ich.
    »Werden Sie erwachsen«, sagte er.
     
    Wir saßen uns sekundenlang schweigend gegenüber und schauten uns wütend über den Schreibtisch hinweg an. Willard rutschte auf dem Stuhl herum und zupfte an seiner Hose. Unterhalb der Tischkante, wo er sie nicht sehen konnte, ballte ich meine
rechte Hand zur Faust. Ich stellte mir vor, wie meine Gerade seine Brust traf. Ich traute mir zu, sein lausiges Herz mit einem einzigen Schlag zum Stehen zu bringen. Seinen Tod konnte ich als Ausbildungsunfall hinstellen. Ich würde schreiben, er habe das Aufstehen von seinem Stuhl geübt und sei ausgerutscht und mit dem Brustbein auf die Schreibtischecke geknallt.
    »Wann ist sein Tod eingetreten?«, fragte er.
    »Gestern Abend zwischen neun und zehn Uhr«, antwortete ich.
    »Und Sie sind erst nach elf auf dem Stützpunkt eingetroffen?«
    »Stimmt.«
    »Können Sie das beweisen?«
    Ich dachte an die Wache am Haupttor. Sie hatte ins Wachbuch eingetragen, wann ich das Tor passiert hatte.
    »Muss ich das?«, wollte ich wissen.
    Er verstummte wieder. Beugte sich auf dem Besucherstuhl nach links.
    »Nächster Punkt«, sagte er. »Sie behaupten, der Arschficker sei nicht ermordet worden, weil er ein Arschficker war. Welchen Beweis haben Sie dafür?«
    »Die am Tatort zurückgelassenen Spuren waren übertrieben.«
    »Um das wahre Tatmotiv zu kaschieren?«
    Ich nickte. »Das vermute ich.«
    »Was war das eigentliche Motiv?«
    »Keine Ahnung. Das hätte Ermittlungen erfordert.«
    »Spekulieren wir doch mal«, meinte Willard. »Nehmen wir an, der hypothetische Täter hätte von dem Mord profitiert. Erzählen Sie mir, weshalb.«
    »Auf die übliche Art«, erwiderte ich. »Indem er etwas verhindert, das Sergeant Carbone hätte tun können. Oder zur Verdeckung einer Straftat, an der Sergeant Carbone beteiligt war oder von der er wusste.«
    »Mit anderen Worten, um ihn zum Schweigen zu bringen.«
    »Um irgendeine Sache abzuwürgen«, sagte ich. »Das würde ich vermuten.«

    »Und Sie sind ein erfahrener Ermittler.«
    »Ja, das bin ich.«
    »Wie hätten Sie den Täter gefasst?«
    »Durch gründliche Ermittlungen.«
    Willard nickte. »Und nehmen wir mal an, Sie hätten den Täter dadurch gefasst - was hätten Sie dann gemacht?«
    »Ich hätte ihn in Haft genommen«, sagte ich. In Schutzhaft, dachte ich. Ich stellte mir Carbones Kameraden vor, wie sie im Vorzimmer auf und ab getigert waren.
    »Und verdächtig wäre jeder gewesen, der sich zur Tatzeit auf dem Stützpunkt aufgehalten hat?«
    Ich nickte. Leutnant Summer kämpfte sich vermutlich in diesem Augenblick durch Unmengen von Papier.
    »Durch Ist-Listen und Kopien des Wachbuchs verifiziert«, sagte ich.
    »Tatsachen«, sagte Willard. »Ich hätte gedacht, dass für einen erfahrenen Ermittler vor allem Tatsachen wichtig wären. Dieser Stützpunkt umfasst eine Fläche von rund fünfundzwanzigtausend Hektar. Zuletzt ist er 1943 mit Stacheldraht eingezäunt worden. Das sind die Tatsachen. Ich habe sie ohne große Mühe festgestellt, und Sie hätten sie ebenfalls feststellen müssen. Sind Sie nicht auf die Idee gekommen, dass nicht jeder auf dem Stützpunkt durchs Haupttor hereingekommen sein muss? Ist Ihnen nicht eingefallen, dass jemand, der als nicht hier verzeichnet ist, durch den Stacheldrahtzaun hätte schlüpfen können?«
    »Unwahrscheinlich«, sagte ich. »Dazu hätte er bei stockfinsterer Nacht über zwei Meilen weit marschieren müssen. Wir fahren die ganze Nacht lang Streife auf willkürlich gewählten Routen.«
    »Ein gut ausgebildeter Mann hätte den Streifen ausweichen können.«
    »Unwahrscheinlich«, sagte ich wieder. »Und wie hätte er sich mit Sergeant Carbone getroffen?«
    »An einem vorher festgelegten Ort.«

    »Das war kein Ort«, sagte ich. »Das war nur eine Stelle an der Straße.«
    »Dann nach Koordinaten.«
    »Unwahrscheinlich«, sagte ich zum dritten Mal.
    »Aber möglich?«
    »Möglich ist alles.«
    »Ein Mann hätte sich also mit dem Schwulen treffen, ihn umbringen, danach den Stützpunkt durch den Zaun verlassen und später am Haupttor auftauchen können, um

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