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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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sitzen. Ich bräuchte nur einen Namen fallen zu lassen.
    »Ich muss Ihnen ein paar Cop-Fragen stellen«, sagte ich. Ich fragte sie das ganze übliche Zeug. Hatte Carbone irgendwelche Feinde? Hatte es Streit gegeben? Drohungen? Schlägereien? Alle drei schüttelten den Kopf und verneinten jede Frage.
    »Sonst irgendwas? Etwas, das ihn hätte gefährden können?«

    »Was zum Beispiel?«, wollte einer der Älteren wissen.
    »Irgendwas«, antwortete ich. Weiter wollte ich nicht gehen.
    »Nein«, sagten sie unisono.
    »Habt ihr irgendwelche Theorien?«, fuhr ich fort.
    »Sehen Sie sich die Ranger an«, schlug der Jüngere vor. »Finden Sie jemanden, der bei der Delta-Ausbildung durchgefallen ist und noch immer glaubt, etwas beweisen zu müssen.«
    Dann gingen sie, und ich dachte über die letzte Äußerung nach. Ein Ranger, der etwas beweisen wollte? Das bezweifelte ich. Nicht plausibel. Delta-Sergeanten fahren nicht mit Unbekannten in den Wald und lassen sich von hinten niederschlagen. Sie trainieren lange und hart, um solche Vorkommnisse unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich zu machen. Hätte ein Ranger Streit mit Carbone angefangen, hätten wir den Ranger tot unter einem Baum liegend aufgefunden. Wären zwei Ranger mit ihm hinausgefahren, hätten wir zwei tote Ranger gefunden. Oder Carbones Leiche hätte zumindest Abwehrverletzungen aufgewiesen. Er wäre nicht kampflos untergegangen.
    Also war er mit jemandem hinausgefahren, den er kannte und dem er vertraute. Ich stellte ihn mir ganz entspannt vor, vielleicht plaudernd oder wie in der Bar lächelnd. Vielleicht war er zu einer bestimmten Stelle vorausgegangen, hatte dem Angreifer den Rücken zugekehrt, war ahnungslos gewesen. Dann stellte ich mir vor, wie ein Montiereisen oder eine Brechstange unter einem Mantel herausgezogen, geschwungen wurde und krachend aufprallte. Dann wieder. Und noch einmal. Drei schwere Schläge waren nötig gewesen, um ihn zu Boden zu strecken. Drei überraschende Schläge. Und ein Kerl wie Carbone ließ sich nicht leicht überraschen.
    Mein Telefon klingelte. Der Anrufer war Oberst Willard, das Arschloch auf Garbers Sessel in Rock Creek.
    »Wo sind Sie?«
    »In meinem Dienstzimmer«, antwortete ich. »Wie könnte ich mich sonst am Telefon melden?«
    »Bleiben Sie dort«, bellte er. »Sie gehen nirgendwohin, tun
nichts, rufen niemanden an. Das ist ein ausdrücklicher Befehl. Sie bleiben einfach dort sitzen und warten.«
    »Worauf?«
    »Ich bin zu Ihnen unterwegs.«
    Er unterbrach die Verbindung. Ich legte den Hörer wieder auf.
     
    Ich blieb dort. Ich ging nirgendwohin, ich tat nichts, ich rief niemanden an. Meine Sergeantin brachte mir eine Tasse Kaffee. Ich nahm sie dankend an. Willard hatte mir nicht befohlen, vor Durst zu sterben.
    Nach einer Stunde vernahm ich eine Stimme im Vorzimmer. Dann trat der junge Delta-Sergeant allein in mein Büro. Der mit dem Bart und der Sonnenbräune. Ich forderte ihn auf, Platz zu nehmen, und grübelte über meine Befehle nach. Sie gehen nirgendwohin, tun nichts, rufen niemanden an. Mit dem Kerl zu reden bedeutete vermutlich, dass ich etwas tat, was gegen Willards Befehl verstieß. Andererseits tat ich schon etwas, indem ich nur atmete. Auch mein Stoffwechsel arbeitete weiter. Mein Haar wuchs, mein Bart wuchs, alle meine zwanzig Nägel wuchsen, ich verlor Gewicht. Es war unmöglich, nichts zu tun. Deshalb gelangte ich zu dem Schluss, dieser Teil des Befehls sei rein rhetorisch aufzufassen.
    »Was kann ich für Sie tun, Sergeant?«, erkundigte ich mich.
    »Ich glaube, Carbone war schwul«, antwortete der Sergeant.
    »Sie glauben, dass er’s war?«
    »Okay, er war’s.«
    »Wer hat’s noch gewusst?«
    »Jeder von uns.«
    »Und?«
    »Und nichts. Ich dachte, Sie sollten’s wissen, das ist alles.«
    »Glauben Sie, dass es eine Rolle gespielt hat?«
    Er schüttelte den Kopf. »Uns hat’s nicht gestört. Und der Täter war bestimmt keiner von uns. Niemand aus unserer Einheit. Auf keinen Fall. So was machen wir nicht. Außerhalb der Einheit hat’s niemand gewusst. Also spielte es keine Rolle.«

    »Wieso erzählen Sie’s mir dann?«
    »Weil Sie’s irgendwann rauskriegen werden. Ich wollte, dass Sie darauf vorbereitet sind. Ich wollte nicht, dass es Sie überrascht.«
    »Weil?«
    »Weil Sie dann vielleicht darüber schweigen können. Weil es keine Rolle spielt.«
    Ich sagte nichts.
    »Das würde sein Andenken beschädigen«, erklärte der Sergeant. »Und das wäre falsch. Er war ein netter Kerl und

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