Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
Summer, glauben Sie’s mir.«
    Sie schwieg.
    »Wenden Sie noch mal wie vorhin«, bat ich. »Über den Mittelstreifen hinweg. Dann fahren Sie ein Stück nach Norden zurück. Ich möchte mir die Raststätte ansehen.«
     
    Die Raststätte hätte an den meisten amerikanischen Interstates liegen können, die ich kannte. Die Nord- und Südfahrbahnen waren etwas auseinander gespreizt worden, sodass der Mittelstreifen eine lang gestreckte Ellipse bildete. Die dortigen Gebäude dienten Reisenden in beiden Richtungen, deshalb besaßen sie zwei Fassaden, aber keine Rückseiten. Sie waren aus Klinkersteinen erbaut und von im Winterschlaf liegenden Blumenrabatten
und unbelaubten Bäumen umgeben. Hier gab es Zapfsäulen und schräg angeordnete Parkplätze. Der Betrieb schien im Augenblick weder hektisch noch ruhig zu sein. Familien befanden sich auf der Heimreise, zurück zur Schule, zurück zur Arbeit. Die Parkplätze waren ungefähr zu einem Drittel belegt. Die Verteilung der Autos war interessant. Die meisten Leute hatten den ersten freien Platz genommen, statt zu riskieren, etwas weiter nach vorn zu fahren, obwohl sie dort dem Restaurant und den Toiletten näher gewesen wären. Vielleicht lag das in der menschlichen Natur. Irgendeine Art Unsicherheit.
    Vor dem Haupteingang des Zentralgebäudes lag ein halbrunder kleiner Platz. Durch die Glastüren konnte ich Neonreklamen im Inneren des Selbstbedienungsrestaurants sehen. Draußen standen sechs Abfallbehälter, alle ziemlich nahe am Eingang. Überall waren Leute unterwegs.
    »Zu öffentlich«, meinte Summer. »So kommen wir nicht weiter.«
    Ich nickte. »Ich würde die Sache sofort vergessen, wenn’s nicht wegen Mrs. Kramer wäre.«
    »Carbone ist wichtiger. Wir sollten Prioritäten setzen.«
    »Das kommt mir vor, als gäben wir auf.«
     
    Wir verließen die Raststätte nach Norden, und Summer veranstaltete erneut eine kleine Geländefahrt über den Mittelstreifen und fuhr dann nach Süden. Ich machte es mir so bequem, wie das in einem Militärfahrzeug überhaupt möglich ist, und richtete mich auf eine lange Rückfahrt ein. Die Fahrbahn sah feucht aus. Summer schien sich keine großen Sorgen wegen möglicher Eisbildung zu machen.
    In den ersten zwanzig Minuten saß ich reglos da. Dann setzte ich mich auf, schaltete die Deckenleuchte ein und durchsuchte Kramers Aktenkoffer gründlich. Ich rechnete nicht damit, etwas Wichtiges zu finden, und wurde auch nicht enttäuscht. Sein Reisepass war die übliche Ausführung, sieben Jahre alt. Auf dem Passfoto sah er etwas besser aus als im Motel als Leiche,
aber der Unterschied war nicht allzu groß. Die Ein- und Ausreisestempel bewiesen, dass er außer in Deutschland und Belgien, wo das künftige Kampfgebiet und das NATO-Hauptquartier lagen, nirgends gewesen war. Ein wirklicher Spezialist. In den vergangenen sieben Jahren hatte er sich ausschließlich auf das letzte große Panzeraufmarschgebiet der Welt und seine Kommandostruktur konzentriert.
    Die Flugtickets erfüllten exakt Garbers Vorgaben. Von Frankfurt zum Dulles Airport, vom Washington National nach Los Angeles, jeweils Hin- und Rückflug. Alle drei Tage vor Reisebeginn zum Staatstarif für die Businessclass gebucht.
    Sein Reiseplan entsprach genau den Buchungen. Die Sitzreservierungen zeigten, dass Kramer anscheinend Gangsitze bevorzugte. Vielleicht musste er in seinem Alter häufiger auf die Toilette. In Fort Irwin, das er nie erreicht hatte, war im Gästeheim für Offiziere ein Einzelzimmer für ihn reserviert gewesen.
    Die Geldbörse enthielt siebenunddreißig Dollar und sechzig Mark, alles in kleinen Scheinen. Die Amex-Karte in grüner Standardausführung war noch anderthalb Jahre gültig. Wie aus der Rubrik Mitglied seit hervorging, hatte Kramer sie seit 1964 besessen. Für einen Offizier der U.S. Army war das ziemlich früh, fand ich. Damals waren die meisten noch mit Bargeld und Militärgutscheinen ausgekommen. In finanziellen Dingen schien Kramer offenbar auf der Höhe der Zeit zu sein.
    Sein Führerschein war in Virginia ausgestellt. Er hatte Green Valley als ständigen Wohnort angegeben, obwohl er es vermied, längere Zeit dort zuzubringen. Außerdem steckte in der Geldbörse ein gewöhnlicher militärischer Dienstausweis. Hinter einem Klarsichtfenster entdeckte ich ein Foto von Mrs. Kramer. Es zeigte eine weit jüngere Version der Frau, die ich tot im Flur ihres Hauses hatte liegen sehen. Es musste mindestens zwanzig Jahre alt sein. Sie war sehr attraktiv gewesen,

Weitere Kostenlose Bücher