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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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hatte langes kastanienbraunes Haar gehabt, das einen Stich ins Orangerote aufwies, weil das alte Foto ausgeblichen war.
    Ansonsten war die Geldbörse leer. Es gab keine Quittungen,
keine Restaurantrechnungen, keine Amex-Durchschläge, keine Telefonnummern, keine Zettelnotizen. Das überraschte mich nicht. Generäle sind meist sehr ordentliche Menschen, die ihr Leben durchorganisiert haben. Sie müssen kämpfen können, aber auch Organisationstalent besitzen. Ich stellte mir vor, dass Kramers Dienstzimmer, Schreibtisch und Unterkunft nicht anders aussahen als seine Geldbörse. Sie würden alles enthalten, was er brauchte, und nichts, was er entbehren konnte.
    Das Hardcoverbuch war eine im Verlag einer Universität im Mittleren Westen erschienene wissenschaftliche Monographie über die Panzerschlacht bei Kursk. Zu dieser Schlacht war es im Juli 1943 gekommen. Sie fand im Rahmen der letzten deutschen Offensive im Osten statt und endete mit der ersten Niederlage der Wehrmacht in offener Feldschlacht. Sie entwickelte sich zur größten Panzerschlacht, die die Welt je gesehen hat - und jemals sehen wird, solange Leute wie Kramer nicht von der Leine gelassen werden. Dass er diese Lektüre gewählt hatte, wunderte mich nicht. Irgendein Teil seines Ichs musste befürchtet haben, er werde wahrhaft dramatischen Kampfhandlungen nie näher kommen, als von Hunderten von Panzern IV Tiger, Panther und T-34 zu lesen, die vor so langer Zeit bei flirrender Sommerhitze durch dichten Staub geröhrt und gerasselt waren.
    Sonst enthielt der Aktenkoffer nichts. Nur einige kleine Papierfetzen, die sich in einer Naht verfangen hatten. Kramer hatte anscheinend zu den Leuten gehört, die ihren Aktenkoffer leerten, ihn umgekehrt hochhielten und ausschüttelten, bevor sie für eine Reise packten. Ich legte alles wieder hinein, schloss ihn und stellte ihn vor meinen Füßen ab.
    »Reden Sie mit dem Kerl im Speisesaal«, sagte ich. »Sobald wir zurückkommen. Finden Sie heraus, wer mit Vassell und Coomer gegessen hat.«
    »Okay«, sagte Summer.
     
    Wir trafen zum Abendessen in Bird ein. Dort aßen wir mit einigen anderen MPs in der Bar des O Clubs. Falls Willard unter ihnen
Spione hatte, hätten sie nur ein paar müde Recken angetroffen, die eigentlich nichts taten. Summer verschwand jedoch zwischen zwei Gängen, und als sie zurückkam, sah ich ihr an, dass sie etwas erfahren hatte. Ich verspeiste meinen Nachtisch und leerte meinen Kaffee so langsam, dass niemand auf die Idee kommen konnte, ich hätte anderswo etwas Dringendes zu erledigen. Dann stand ich auf und schlenderte hinaus. Wartete in der Kälte auf dem Gehsteig. Summer tauchte fünf Minuten später auf. Ich musste lächeln. Wir verhielten uns, als hätten wir eine heimliche Affäre.
    »Nur eine Frau hat mit Vassell und Coomer gegessen«, sagte sie.
    »Wer?«, fragte ich.
    »Oberstleutnant Andrea Norton.«
    »Von der Schule für psychologische Kriegsführung?«
    »Genau die.«
    »Sie war auf einer Silvesterparty.«
    Summer verzog das Gesicht. »Sie wissen doch, wie solche Partys sind. Eine Bar in der Stadt, Hunderte von Menschen, ein ständiges Kommen und Gehen, laute Musik, Gedränge, Drinks, Leute, die zu zweit verschwinden. Sie hätte sich fortschleichen können.«
    »Wo liegt die Bar?«
    »Eine halbe Stunde von dem Motel entfernt.«
    »Dann hätte sie mindestens eine Stunde lang weg sein müssen.«
    »Das wäre möglich gewesen.«
    »War sie um Mitternacht in der Bar? Hat sie ihre Nachbarn an den Händen gehalten und ›Auld Lang Syne‹ gesungen? Wer neben ihr gestanden hat, müsste es bezeugen können.«
    »Mehrere Leute haben bestätigt, dass sie dort war. Aber das wäre zeitlich zu schaffen gewesen. Der junge Mann am Empfang hat gesagt, das Humvee sei um dreiundzwanzig Uhr fünfundzwanzig weggefahren. Also hätte sie fünf Minuten vor Mitternacht zurück sein können. Das wäre niemandem aufgefallen.
Sie wissen ja, wie alle aus ihren Löchern kommen, um zu hören, wie es zwölf Uhr schlägt. Dann beginnt die Party sozusagen noch mal.«
    Ich überlegte.
    »Sie hätte den Aktenkoffer mitgenommen, um den Inhalt zu überprüfen. Vielleicht war ihre Telefonnummer darin oder ihr Name oder ein Foto von ihr. Oder ein Tagebuch. Sie wollte einen Skandal vermeiden. Doch als sie damit fertig war, hatte sie keine Verwendung für das restliche Zeug. Sie hätte den Aktenkoffer auf Verlangen gern zurückgegeben.«
    »Woher hätten Vassell und Coomer gewusst, wen sie fragen mussten?«
    »In diesem

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