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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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dem lebhaften Gewühl auf dem Bürgersteig verschwunden, wie Clark feststellte. Er konnte das, er hatte die richtige Größe und das entsprechende Äußere. Ding konnte es auch. Mit seiner Größe, seinem glänzenden schwarzen Haar und seiner Hautfarbe war Chavez hier aus einer gewissen Entfernung nicht von den anderen zu unterscheiden. Dazu trug auch der Haarschnitt bei, zu dem er seinen Partner genötigt hatte. Von hinten sah er genauso aus wie irgendein Passant. Das war hilfreich, dachte Clark, der zunehmend das Gefühl hatte, in dieser Umgebung aufzufallen, besonders in einem Moment wie diesem.
    »Es ist soweit«, flüsterte Ding. So unauffällig wie möglich wechselten die beiden auf die andere Straßenseite.
Clark war wie ein Geschäftsmann gekleidet, aber selten hatte er sich so nackt gefühlt. Er hatte noch nicht mal ein Taschenmesser, und Ding ging es genauso. Beide waren geübt im unbewaffneten Kampf, doch beide hatten auch genügend Erfahrung, um Waffen vorzuziehen - damit konnte man Feinde besser auf Distanz halten.
Sie hatten Glück. Von niemandem bemerkt, durchquerten sie die Eingangshalle des Gebäudes. Sie stiegen die Treppe hinauf. Zweite Etage, ganz durch, linke Seite.
Nomuri hatte seine Aufgabe erledigt. Der Korridor war menschenleer. Clark ging voraus, mit schnellen Schritten den schwach beleuchteten Gang entlang. Das Schloß war einfach. Während Ding Schmiere stand, holte er seinen Dietrich heraus und knackte es, dann öffnete er rasch die Tür. Sie standen schon im Zimmer, als ihnen klar wurde, daß die Mission ein Reinfall war.
Kimberly Norton war tot. Sie lag auf einem Futon, in einem besseren Seidenkimono, der unterhalb der Knie zusammengebunden war und ihre Unterschenkel freigab. Die Unterseite ihres Körpers begann sich durch den von der Schwerkraft bewirkten Blutandrang schon zu verfärben. Bald würde die Oberseite der Leiche aschfahl sein, und die unteren Regionen würden kastanienbraun sein. Der Tod war grausam, dachte John. Nicht genug, daß er das Leben raubte. Obendrein raubte er, was immer das Opfer an Schönheit besessen hatte. Sie war hübsch gewesen - tja, das war ja wohl der springende Punkt, oder nicht? John verglich die Tote mit dem Foto, eine flüchtige Ähnlichkeit mit seiner jüngeren Tochter Patsy, Er reichte Ding das Bild, Er fragte sich, ob der Bursche zu demselben Schluß kommen würde.
»Sie ist es.«
»Stimmt, John«, bemerkte Chavez mit rauher Stimme. »Sie ist es.« Schweigen. »Scheiße«, schob er leise nach, während er das Gesicht eingehend betrachtete, wobei sich seine Züge vor Zorn verzerrten. Aha, dachte Clark, er sieht es auch.
»Kamera dabei?«
»Ja.« Ding holte eine 35-mm-Kompaktkamera aus der Hosentasche. »Bullen spielen?«
»Genau.«
Clark bückte sich, um die Leiche zu untersuchen. Es war frustrierend. Er war kein Pathologe, und wenn er auch viel über den Tod wußte, so war doch noch mehr Wissen erforderlich, um das hier richtig zu machen. Da ... in der Ader auf der Oberseite ihres Fußes eine einzelne Delle. Das war auch schon alles. Dann hatte sie also Drogen genommen? Wenn ja, dann war sie ein vorsichtiger User gewesen, dachte John. Sie hatte immer die Nadel gereinigt und ... Er blickte sich im Zimmer um. Dort. Ein Fläschchen Alkohol und ein Plastikbeutel mit Wattetupfern und ein Beutel mit Plastikspritzen.
»Sonst sehe ich keine Einstiche.«
»Sie springen einem nicht immer ins Auge, Mann«, bemerkte Chavez. Clark seufzte und machte den Kimono auf. Sie trug nichts darunter.
»Fuck!« schnarrte Chavez. An der Innenseite ihrer Schenkel war eine weißliche Flüssigkeit.
»Das ist ein ausgesprochen unpassende Bemerkung«, erwiderte Clark flüsternd. Schon lange war er nicht mehr so nah daran gewesen, aus der Haut zu fahren. »Mach deine Bilder.«
Ding antwortete nicht. Die Kamera blitzte und surrte in einem fort. Er hielt die Szene so gründlich fest, wie es vielleicht ein forensischer Fotograf getan hätte. Dann richtete Clark wieder den Kimono, in dem vergeblichen Versuch, dem Mädchen jene Würde zurückzugeben, die ihr vom Tod und von den Menschen geraubt worden war.
»Moment mal - die linke Hand.«
Clark untersuchte sie. Ein Nagel war abgebrochen. Alle anderen waren mittellang, gleichmäßig mit einem farblosen Lack bedeckt. Er untersuchte die anderen. Es steckte etwas unter ihnen.
»Ob sie jemanden gekratzt hat?« fragte Clark.
»Sehen Sie irgendeine Stelle, wo sie sich selbst gekratzt hat, Mr. C?« fragte Ding.
»Nein.«
»Mensch, dann

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