08 - Ehrenschuld
amüsanter Gedanke.
»Ja, Jack?« Der Präsident war in selten gehobener Stimmung, nachdem er gerade ein neues Gesetz unterzeichnet hatte, das, so hoffte er, ein großes Problem seines Landes lösen und nebenbei seine Aussichten auf eine Wiederwahl verbessern würde. Es wäre schade, ihm diesen Tag zu verderben, dachte Ryan, aber sein Job war kein politischer, zumindest hatte er nichts mit jener Art von Politik zu tun.
»Vielleicht schauen Sie sich das einmal an.« Er reichte ihm das Fax, ohne sich hinzusetzen.
»Wieder unser Freund Clark?« fragte Durling, lehnte sich in seinem Sessel zurück und griff zur Lesebrille. Seine Reden und die Teleprompter wiesen eine so große Schrift auf, daß seine präsidentielle Eitelkeit gewahrt blieb, doch für normale Korrespondenz mußte er die Brille benutzen.
»Ich nehme an, der Außenminister kennt das. Was sagt er dazu?« fragte der Präsident, als er fertig war.
»Hanson nennt es Schwarzmalerei«, berichtete Jack. »Doch der Botschafter hatte seine Leute eingesperrt, weil er keinen >Zwischenfall< provozieren wollte. Das hier ist, vom Fernsehen abgesehen, der einzige Augenzeugenbericht.«
»Ich habe den Text seiner Rede noch nicht gelesen, er muß hier irgendwo sein.« Durling deutete auf seinen Schreibtisch.
»Das sollten Sie vielleicht tun, ich hab' ihn gerade gelesen.«
Der Präsident nickte. »Und was noch? Da muß doch noch was kommen.«
»Ich habe Mary Pat außerdem angewiesen, THISTLE zu aktivieren.« Er erläuterte kurz, um was es ging.
»Dazu brauchen Sie vorher meine Genehmigung.«
»Deshalb bin ich ja hier, Sir. Sie wissen doch einiges über Clark. Er läßt sich nicht leicht bange machen. Zu THISTLE gehören ein paar Leute in ihrem Außenministerium und im MITI. Es dürfte in unserem Interesse sein, zu wissen, was sie denken.«
»Sie sind nicht unsere Feinde«, bemerkte Durling.
»Wahrscheinlich nicht«, räumte Jack ein, wobei er zum ersten Mal die Tatsache berücksichtigte, daß »bestimmt nicht« nicht die richtige Antwort gewesen wäre, was der Präsident mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm. »Trotzdem müssen wir Bescheid wissen, Sir. Das ist jedenfalls meine Empfehlung.«
»Okay. Genehmigt. Was noch?«
»Ich habe ihr außerdem gesagt, Kimberly Norton so schnell wie möglich herauszuholen. Ich gehe davon aus, daß es in den nächsten vierundzwanzig Stunden passiert.«
»Ein Wink für Goto, nicht wahr?«
»Das auch. Der Kernpunkt ist aber, daß wir wissen, daß sie da ist, und sie ist amerikanische Bürgerin und ...«
»Und ich habe auch Kinder. Auch genehmigt. Sparen Sie sich die frommen Sprüche für die Kirche auf, Jack«, befahl Durling lächelnd. »Wie soll es laufen?«
»Wenn sie mitmacht, fahren sie sie zum Flughafen und fliegen sie nach Seoul. Sie haben Kleider für sie und einen neuen Paß sowie Erste-KlasseTickets für sie und eine Eskorte, die sie am Terminal treffen wird. Mit KAL fliegt sie dann weiter nach New York. Wir bringen sie in ein Hotel, beruhigen sie und horchen sie aus. Wir lassen ihre Eltern von Seattle einfliegen und erklären ihnen, daß es geheim bleiben muß. Das Mädchen braucht vermutlich psychologische Beratung, das heißt, sie braucht bestimmt eine. Das wird zur Geheimhaltung beitragen. Das FBI wird dabei behilflich sein. Ihr Vater ist Polizist. Er spielt vermutlich mit.«
War damit nicht alles klar?
Der Präsident nickte Ryan zu. »Wenn es soweit ist, was sagen wir Goto?«
»Das ist Ihre Entscheidung, Mr. President. Wenn Sie mich fragen, vorläufig gar nichts. Erst müssen wir das Mädchen vernommen haben. Sagen wir mal, in etwa einer Woche, und dann wird der Botschafter den üblichen Höflichkeitsbesuch machen, um einem neuen Regierungschef Ihre Glückwünsche zu überbringen ...«
»Und ihn höflich zu fragen, wie seine Landsleute wohl reagieren werden, wenn sie erfahren, daß der Herr Obernationalist seinen Pinsel in eine Rundäugige gesteckt hat. Und daraufhin strecken wir ihm dann einen kleinen Ölzweig entgegen, nicht wahr?« Durling kapiert recht schnell, dachte Jack.
»Das würde ich empfehlen, Sir.«
»Einen ganz kleinen«, merkte der Präsident trocken an.
»Vorläufig mit nur einer Olive dran«, konzedierte Ryan.
»Genehmigt«, sagte Durling nochmals, um dann in schärferem Ton hinzuzufügen: »Werden Sie demnächst noch empfehlen, welchen Ölzweig wir nehmen sollen?«
»Nein, Sir. Bin ich zu weit gegangen?« frage Jack, dem plötzlich klar wurde, was er sich alles herausgenommen hatte.
Durling entschuldigte
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