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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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eingeleitet von einer überaus schonenden Vorbemerkung wie etwa: »Eines der Dinge, wonach man Sie wahrscheinlich fragen wird, ist ...«
Es hatte sie mitgenommen, arg mitgenommen sogar. Barbara sie waren inzwischen so vertraut miteinander geworden, daß sie für ihn nicht mehr Ms. Linders war - hatte den ganzen Mut bewiesen, den man von einem Verbrechensopfer erwarten kann, und noch darüber hinaus. Aber Mut kam nicht von nichts. Er war vergleichbar mit einem Bankkonto. Man konnte nur bis zu einer bestimmten Höhe abheben, dann mußte man aufhören und warten, bis neue Einzahlungen gemacht wurden. Allein schon das Warten, die Ungewißheit, wann es soweit sein würde, in dem Sitzungssaal Platz zu nehmen und vor den Scheinwerfern des Fernsehens ihre erste Erklärung abzugeben, die Gewißheit, daß sie vor aller Welt ihr Innerstes würde enthüllen müssen - das war so, als käme Nacht für Nacht ein Räuber in die Bank, um etwas von ihrem schwer errungenen Bestand an innerer Entschlossenheit zu stehlen.
Es war auch schwer für Murray. Er hatte sein Beweismaterial zusammengetragen, er hatte die Staatsanwältin besorgt, aber er war der einzige, der ihr nahe war. Es war seine Aufgabe, sagte sich Murray, dieser Dame zu zeigen, daß die Männer nicht so waren wie Ed Kealty, daß Männer von einer solchen Handlungsweise ebenso angewidert waren wie Frauen. Er war ihr fahrender Ritter. Diesen Verbrecher anzuprangern und am Ende hinter Schloß und Riegel zu bringen, das war jetzt mehr noch für ihn als für sie zur Lebensaufgabe geworden.
»Barb, Sie müssen dort stark bleiben. Wir werden diesen Mistkerl drankriegen, aber das schaffen wir nur, wenn ...« Er sprach die Worte aus, er befrachtete sie mit einer Überzeugung, die er nicht besaß. Seit wann hatte die Politik etwas in einem Strafverfahren verloren? Das Recht war verletzt worden. Sie hatten ihre Zeugen, ihre materiellen Beweise, doch nun war ein Stillstand eingetreten, der dem Opfer einen ebenso großen Schaden zufügte, wie ein Anwalt der Verteidigung hätte anrichten können.
»Es dauert zu lange!«
»Noch zwei Wochen, vielleicht drei, und es geht los, Barb.«
»Ich weiß doch, daß da irgendwas im Gange ist. Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Ist er nicht ständig unterwegs, hält Reden und eröffnet Brücken und so 'n Zeug? Irgend jemand hat ihm was gesagt, und jetzt sammelt er Punkte, oder etwa nicht?«
»Ich denke im Gegenteil, daß der Präsident ihn bewußt an der kurzen Leine hält, damit er sich nicht, wenn diese Sache bekannt wird, zur Verteidigung auf ein hohes öffentliches Ansehen stützen kann. Der Präsident ist auf unserer Seite, Barb. Ich habe ihn persönlich über diesen Fall unterrichtet, und er sagte: >Ein Verbrecher ist ein Verbrechen<, und genau das und nichts anderes war von ihm zu erwarten.«
Sie blickte ihn mit tränenumflorten, verzweifelten Augen an. »Ich zerbreche daran, Dan.«
»Nein, Barb, das tun Sie nicht«, sagte Murray wider seine Überzeugung. »Sie sind eine zähe, intelligente, tapfere Frau. Sie werden das durchstehen. Wer daran zerbrechen wird, ist er.« Daniel E. Murray, Deputy Assistant Director des Federal Bureau of Investigation, streckte ihr über den Schreibtisch die Hand entgegen. Barbara Linders ergriff sie und drückte sie, wie ein Kind die Hand des Vaters drücken mochte, sich selbst dazu zwingend, zu glauben und zu vertrauen, und es erfüllte ihn mit Scham, daß sie einen so hohen Preis bezahlte, weil der Präsident der Vereinigten Staaten einen Kriminalfall einem politischen Problem unterordnen mußte. Es mochte ja im großen Gesamtzusammenhang seinen Sinn haben, doch für einen Polizisten reduzierte sich der große Gesamtzusammenhang meistens auf ein Verbrechen und ein Opfer.

16 / Nutzlasten
    Der letzte Schritt der Bewaffnung der H-11/SS-19-Raketen konnte notgedrungen nicht vor dem offiziellen Befehl von Seiten des Ministerpräsidenten erfolgen. Der Höhepunkt war in gewisser Weise enttäuschend. Ursprünglich hatten sie gehofft, einen vollständigen Satz Sprengköpfe, zumindest sechs, an der Nase der Raketen anzubringen, aber dann hätten sie den Transportstufenbus tatsächlich im Flug testen müssen, und das war ein bißchen zu gefährlich. Wichtiger als die Zahl der Sprengköpfe war die Wahrung des geheimen Charakters des Projekts, hatten die maßgebenden Herren entschieden. Das ließ sich später immer noch korrigieren. Genau aus dem Grunde hatten sie das obere Ende der russischen Konstruktion nicht

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