08 - Ehrenschuld
sich fast für die schroffe Bemerkung gegenüber seinem Nationalen Sicherheitsberater. »Wissen Sie, Bob hatte recht, was Sie betrifft.«
»Wie bitte?«
»Bob Fowler«, sagte Durling und bot Ryan einen Stuhl an. »Sie haben mich damals, als ich Sie das erste Mal reingeholt habe, ganz schön auf die Palme gebracht.«
»Sir, ich war damals ausgebrannt, erinnern Sie sich?« Jack jedenfalls erinnerte sich nur zu gut. Die Alpträume kamen immer wieder. Er sah sich, wie er im National Military Command Center saß, den Leuten sagte, was sie zu tun hatten, aber in dem Alptraum konnten sie ihn nicht sehen oder hören, während über den heißen Draht immer wieder die Nachricht einging, die sein Land näher und näher an den Rand des Krieges brachte, den höchstwahrscheinlich er abgewendet hatte. So manches über die damaligen Vorgänge hatte nicht in den Medien gestanden. Machte auch nichts. Die dabeigewesen waren, wußten jedenfalls Bescheid.
»Ich habe das damals nicht verstanden. Jedenfalls« - Durling reckte sich
-, »als ich letzten Sommer das Amt übernahm, haben Bob und ich in Camp David über einige Dinge gesprochen. Er hat Sie für den Posten empfohlen. Überrascht?« fragte der Präsident mit einem listigen Gesichtsausdruck.
»Sehr«, gab Jack unumwunden zu. Arnie van Damm hatte ihm davon nichts gesagt. Ryan fragte sich, warum.
»Er sagte, daß Sie zur Höchstform auflaufen, wenn die Kacke am Dampfen ist. Er sagte auch, daß Sie in der übrigen Zeit ein besserwisserischer, aufdringlicher Typ sind. Ein guter Menschenkenner, Bob Fowler.« Durling gab ihm Gelegenheit, das erst einmal zu verdauen. »Sie sind ein guter Mann im Sturm, Jack. Tun Sie uns beiden den Gefallen, und vergessen Sie nicht, daß Sie ohne meine Genehmigung nicht weiter gehen dürfen als in diesem Fall. Hatten Sie nicht schon mal mit Brett ein Kompetenzgerangel?«
»Ja, Sir.« Jack nickte wie ein ertappter Sünder. »Nur ein ganz kleines.«
»Halten Sie sich zurück. Er ist mein Außenminister.«
»Ich habe verstanden, Sir.«
»Alles vorbereitet für Moskau?«
»Cathy freut sich schon richtig drauf«, antwortete Ryan, froh über den Themenwechsel; Durling hatte ihn wirklich sehr anständig behandelt.
»Schön, daß sie dabei ist. Anne mag sie sehr. Noch was?«
»Im Augenblick nicht.«
»Jack, vielen Dank für die Unterstützung«, sagte Durling, um die Besprechung mit einem positiven Ton zu beschließen.
Ryan verließ das Amtszimmer durch die Westtür und ging am Teddy Roosevelt Room vorbei zu seinem Büro. Ed Kealty war wieder da, wie er bemerkte, und arbeitete in seinem Amtszimmer. Er fragte sich, wann diese Bombe platzen würde, und ihm wurde bewußt, daß trotz all der erfreulichen Ereignisse des heutigen Tages noch immer dieser Skandal über dem Präsidenten schwebte. Wieder dieses Schwert, dachte Jack. Diesmal war er ein bißchen zu nah an die Grenze gegangen, und seine Aufgabe war es doch, dem Präsidenten die Arbeit leichter und nicht schwerer zu machen. Er hatte sich ja nicht bloß um außenpolitische Verwicklungen zu kümmern auch die Innenpolitik, von der er nie etwas hatte wissen wollen, barg ernste Gefahren.
Fowler? Verflixt.
Sie wußten, daß sie um diese Zeit unbehelligt bleiben würden. Goto hielt heute abend eine Fernsehansprache, seine Jungfernrede als Ministerpräsident, und egal, was er sagte, an diesem Abend würde er nicht bei seiner jungen Mätresse sein. Vielleicht würde ihre heutige Mission ein interessanter und hilfreicher Kontrapunkt zu dem sein, was der Politiker zu sagen hatte, so etwas wie eine Antwort von Amerika. Diese Vorstellung gefiel ihnen beiden ausnehmend gut.
John Clark und Ding Chavez gingen zu der vereinbarten Zeit auf der gegenüberliegenden Seite hin und her und schauten über die belebte Straße hinweg zu dem unscheinbaren Gebäude hinüber. So sahen sie immer aus, dachte John. Vielleicht würde ja mal einer spitzkriegen, daß eine protzige Fassade oder ein Bürohochhaus eine bessere Tarnung ist, vielleicht auch nicht. Ein Mann kam heraus und nahm sich mit der linken Hand die Sonnenbrille ab. Er glättete sein Haar, fuhr sich zweimal mit der linken Hand über den Hinterkopf und ging dann weg. Nomuri hatte nie herausbekommen, wo das Zimmer von Kim Norton war. So nah heranzugehen wäre riskant gewesen, aber er hatte den Befehl bekommen, dieses Risiko einzugehen, und nachdem er jetzt das Zeichen gegeben hatte, ging er zu der Stelle, wo er seinen Wagen abgestellt hatte. Zehn Sekunden später war Nomuri in
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