08 - Ehrenschuld
erhöhter Aktivität jetzt frei hatten. Rings um den Inselaufbau waren Wachen aufgezogen, die meistens den ihnen zugewiesenen Verantwortungsbereich im Auge behielten, aber dennoch wenigstens einmal verstohlen zu den japanischen Schiffen hinübergeschaut hatten, die ja schließlich etwas anderes waren als die amerikanischen Schiffe. Einige benutzten 7x50 Marineferngläser vorwiegend japanischer Fertigung. Andere bedienten sich der sehr viel wuchtigeren 20x120 »Big Eyes«, der rings um die Brücke auf Gestellen montierten Aufklärungsferngläser.
Admiral Sato setzte sich nicht, als er sein Fernglas an die Augen hielt. Es war wirklich schade. Es waren so stolze, schöne Schiffe. Dann fiel ihm ein, daß das an Backbord die Enterprise war, ein altehrwürdiger Name in der United States Navy, und daß die Amerikaner mit einem Schiff dieses Namens einmal sein Land gepeinigt hatten, obwohl es bei Midway, den östlichen Salomonen, bei Santa Cruz und anderen bedeutenden Seegefechten viele Male getroffen, aber nie ernsthaft beschädigt worden war. Der Name eines respektierten Feindes, aber eines Feindes. Dieses Schiff würde er beobachten. Er hatte keine Ahnung, wer John Stennis gewesen war.
Die Mutsu war vor dem Wendemanöver ein ganzes Stück an den Trägern vorbeigefahren, fast bis zu den Zerstörern, die die Nachhut des Verbandes darstellten, und das Überholmanöver schien jetzt quälend lange zu dauern. Der Admiral trug seine weißen Handschuhe und hielt sein Fernglas knapp unter die Reling, und er sah, wie der Winkel zu dem Flugzeugträger sich veränderte.
»Peilung zu Ziel eins ist drei-fünf-null. Ziel zwei Peilung jetzt null-einsnull. Lösung leicht«, meldete der Unteroffizier. Der isso fragte sich, was hier vorging und warum, vor allem fragte er sich, ob er wohl eines Tages diese Geschichte würde erzählen können, und er dachte, daß er sie vermutlich nicht überleben würde.
»Ich übernehme«, sagte der Einsatzoffizier und ließ sich auf dem Stuhl nieder. Er hatte sich mit der Torpedo-Abschußkonsole gründlich vertraut gemacht. Der Befehl war bereits erteilt, und er brauchte nur noch zu zünden. Der Offizier drehte den Schlüssel in dem Schloß um, das die Zündung sicherte, klappte den Deckel über dem Knopf für die backbordseitige Abschußvorrichtung auf und drückte ihn. Dann tat er dasselbe für die Steuerbordseite.
Die drei Rohre umfassenden Abschußgestelle zu beiden Seiten des Schiffes schwenkten mit einem Ruck aus der Schiffswand hervor und bildeten einen Winkel von rund vierzig Grad mit der Mittelline. Die halbkugelförmigen Wetterschutzkappen über allen sechs Rohren wurden abgesprengt. Dann wurden die Aale mit Druckluft ins Wasser geschickt, links und rechts, im Abstand von etwa zehn Sekunden. Die Propeller drehten sich bereits, als sie ins Meer hinausgestoßen wurden, und jeder zog ein Steuerkabel hinter sich her, das ihn mit dem Gefechtsleitstand der Mutsu verband. Die jetzt leeren Rohre schwenkten in ihre Bereitschaftsstellung zurück.
»Scheiße!« rief eine Wache auf der Johnnie Reb.
»Was ist, Cindy?«
»Sie haben gerade einen Scheißaal abgeschossen!« sagte sie. Sie war ein
zierlicher Marinegefreiter (diese Bezeichnung hatte sich noch nicht geändert), erst achtzehn Jahre alt, auf ihrem ersten Schiff und lernte zu fluchen, um sich dem derben Sprachgebrauch der Besatzung anzupassen. Ihr Arm zeigte in die Richtung. »Ich hab's gesehen, dort!«
»Bist du sicher?« fragte die nächste Wache und schwenkte ihr »Big Eyes«-Fernglas herum. Cindy hatte lediglich ein tragbares.
Die junge Frau zögerte. Sie hatte so etwas noch nicht gemacht und fragte sich, was ihr Chief wohl machen würde, wenn sie sich geirrt hatte. »Brücke, Wache sechs, das letzte Schiff der japanischen Linie hat gerade einen Torpedo abgeschossen!« So, wie das Meldesystem auf dem Träger geregelt war, wurde ihre Meldung über die Brückenlautsprecher übertragen.
Bud Sanchez, eine Ebene tiefer, blickte auf. »Was war das?«
»Wiederholen Sie, Wache sechs!« befahl der Offizier der Wache, der OOD.
»Ich sagte, ich hab' gesehen, daß der japanische Zerstörer auf Steuerbordseite einen Torpedo abgeschossen hat!«
»Hier ist Wache fünf, ich habe es nicht gesehen, Sir«, sagte eine männliche Stimme.
»Ich hab' es gesehen, verdammt noch mal!« schrie eine sehr erregte, junge weibliche Stimme so laut, daß Sanchez diesen Ausruf direkt hörte und nicht über die Brückenlautsprecher. Er legte seine Papiere weg, sprang auf
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